Merkel wegen Asylpolitik und Missstände beim Bamf massiv unter Druck
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gerät in der Affäre um Missstände beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) zunehmend unter Druck. Medienberichten zufolge war sie bereits seit vergangenem Jahr über die massiven Probleme in der Behörde informiert. Der Koalitionspartner SPD warf der Kanzlerin Versagen vor und rief sie zur Aufklärung auf. SPD-Chefin Andrea Nahles warnte aber auch davor, neue Erkenntnisse zu "skandalisieren".
BERLINER TAGESZEITUNG (BTZ) erfuhr unter Berufung auf vertrauliche Dokumente, der frühere Bamf-Chef Frank-Jürgen Weise habe die Kanzlerin 2017 zwei Mal im direkten Gespräch über Missstände in der Behörde und im Asylmanagement informiert. Bereits Anfang 2017 habe Weise in einem internen Bericht die Zustände im Bamf schonungslos analysiert. In dem Papier heißt es demnach, dass die Leitung unter Weise "in ihrer beruflichen Erfahrung noch nie einen so schlechten Zustand einer Behörde erlebt" habe.
Medienkreise berichteten unter anderem über den Bericht Weises von Anfang 2017. Dort ist demnach von einem "Organisationsversagen in der Krise" und einem "faktischen Konkurs" des Bamf die Rede.
SPD-Politiker reagierten mit scharfen Worten in Richtung Merkel auf die Berichte. "Die Kanzlerin hat schlicht versagt", sagte der SPD-Vizevorsitzende Ralf Stegner nach BTZ-Information. Merkel trage die volle Verantwortung für die Überforderung des Bamf und den "damit verbundenen Kontrollverlust der wichtigsten Behörde in der Flüchtlingspolitik zu Lasten von Betroffenen und Kommune".
SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil sagte hierzu, Merkel dürfe die Öffentlichkeit nicht länger im Unklaren darüber lassen, "wann sie was über die Probleme beim Bamf wusste". "Sie muss jetzt Stellung beziehen." Die aufgetauchten Dokumente stellten nun endgültig die Frage über die Rolle des Kanzleramtes. FDP-Chef Christian Lindner sagte gegenüber Medienvertretern, es bestehe "ein Widerspruch zwischen den Kenntnissen der Kanzlerin über Missstände und ihren öffentlichen Äußerungen.
Zurückhaltend äußerte sich dagegen noch SPD-Chefin Andrea Nahles. "Wir alle wussten doch, dass das Bamf überhaupt nicht aufgestellt war, um die Masse an Flüchtlingen wirklich bearbeiten zu können", sagte sie im ARD-"Sommerinterview". Genau deswegen sei Weise ja eingesetzt worden. Sie warnte zudem davor, im Zuge der Aufklärung der Missstände jeden bekannt gewordenen Punkt zu "skandalisieren".
Die Bundesregierung nahm zu den konkreten Angaben über Unterrichtungen Merkels durch Weise am Sonntag keine Stellung. "Die Bundeskanzlerin stand mit Herrn Weise seit dessen Berufung zum Leiter des Bamf bis zum Ende seiner Tätigkeit immer wieder in Kontakt", teilte ein Regierungssprecher auf Anfrage lediglich mit.
Weise war von Herbst 2015 bis Ende 2016 Leiter des Bamf und danach ein Jahr lang Beauftragter für Flüchtlingsmanagement der Bundesregierung. In dieser Funktion sollte Weise weiterhin helfen, das Asylsystem weiter zu reformieren.
Das Bamf steht bereits seit Wochen in der Kritik. Im April war bekannt geworden, dass die Bremer Bamf-Außenstelle zwischen 2013 und 2016 in mindestens 1200 Fällen Asylanträge zu Unrecht bewilligt haben soll.
BERLINER TAGESZEITUNG erfuhr, seit dem Jahr 2000 hätten mindestens 115 nachrichtendienstlich relevante Personen über die Bamf-Außenstelle Bremen Schutzstatus in Deutschland erhalten. Darunter seien 46 Menschen mit islamistischem Hintergrund, bei denen nicht ausgeschlossen werden könne, dass es sich um terroristische Gefährder handele. Weitere 40 Personen hätten einen ausländischen extremistischen Hintergrund.
(M. Tschebyachkinchoy--BTZ)