Deutschland: Streit in der Koalition über Arbeitslosenversicherung
In der großen Koalition gibt es neue Differenzen in der Arbeitsmarktpolitik: Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) schlug am Mittwoch vor, den Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung Anfang 2019 um 0,3 Prozentpunkte zu senken. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt kritisierte das als unzureichend. Heil will auch die Bedingungen für das Arbeitslosengeld I verbessern. Der Minister pocht zudem darauf, das strittige Gesetz zur Brückenteilzeit noch vor der Sommerpause im Kabinett zu beraten.
Heil sagte, die Bundesagentur für Arbeit (BA) müsse handlungsfähig bleiben. Es müsse eine Balance gefunden werden zwischen der Notwendigkeit für Rücklagen in der Krise und der Entlastung der Arbeitnehmer. Deshalb wolle er an der im Koalitionsvertrag vereinbarten Absenkung des Beitrages um 0,3 Punkte festhalten.
Eine Senkung um 0,3 Prozentpunkte sei "nicht ehrgeizig genug", erklärte hingegen CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt am Mittwoch in Berlin. Die Rücklagen der Arbeitslosenversicherung würden bis Ende des Jahres auf mehr als 20 Milliarden Euro anwachsen. "Die Arbeitslosenversicherung ist aber keine Sparkasse." Auch die Arbeitgeber haben die Absenkung um 0,3 Punkte als unzureichend kritisiert. Die FDP plädierte für eine Senkung um 0,5 Punkte. Aber dafür "fehlt der GroKo leider der Mut", kritisierte ihr Arbeitsmarktexperte Johannes Vogel.
Heil unterbreitete seinen Vorschlag zur Arbeitslosenversicherung im Rahmen seines Konzeptes für eine Qualifizierungsoffensive. Dazu gehört auch der Vorschlag, dass Anspruch auf Arbeitslosengeld künftig haben soll, wer innerhalb von drei Jahren zehn Monate sozialversicherungspflichtige Beschäftigung nachweisen kann. Bislang müssen innerhalb von zwei Jahren zwölf Monate nachgewiesen werden.
Davon würden jährlich bis zu 100.000 Menschen profitieren, sagte Heil. Arbeitslose, die an einer Weiterbildung teilnehmen, sollen nach seine Vorstellungen im Anschluss bis zu drei Monaten Arbeitslosengeld bekommen. Bislang gilt hier ein Monat. Mit der Ausweitung der Weiterbildung will Heil die Arbeitnehmer fit machen für die digitalisierte Arbeitswelt.
Das DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach lobte Heils Konzept als "Gebot der Stunde". Dadurch kämen auch befristet Beschäftigte, Projektmitarbeiter, sowie Saison- und Leiharbeiter leichter in den Schutz der Arbeitslosenversicherung.
Kritik kam hingegen von der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA). Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter sprach von "Schnellschüssen", die "unausgegoren und teuer" seien. Die Ausweitung des Arbeitslosengeldanspruchs setze Fehlanreize, sich nicht um eine neue Beschäftigung zu bemühen.
Heil hielt an dem Vorhaben fest, das Gesetz zum Recht auf befristete Teilzeit bis Anfang 2019 einzuführen. Dafür müsse es noch vor der Sommerpause ins Kabinett. Ursprünglich hatte es bereits diesen Mittwoch von der Ministerrunde beraten werden sollen. Das Recht auf befristete Teilzeit soll demnach für Unternehmen mit über 45 Beschäftigten gelten.
Bei Betrieben bis zu 200 Mitarbeiter soll aber lediglich einem pro angefangenen 15 Mitarbeiter der Anspruch gewährt werden müssen.
SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil sagte nach Informationen von BERLINER TAGESZEITUNG in einem aktuellen Interview, dass die Union immer noch das Rückkehrrecht von Teilzeit in Vollzeit blockiere, "schafft in dieser Hinsicht kein Vertrauen". Klingbeil hob hervor, die SPD wolle "die Dinge umsetzen, die im Koalitionsvertrag vereinbart sind". "Diese Motivation spüre ich aber nicht bei jeder Ministerin und bei jedem Minister der Unionsseite."
(N. Lebedew--BTZ)