Deutsche Staatsanwaltschaft will Auslieferung von Carles Puigdemont
Die Generalstaatsanwaltschaft von Schleswig-Holstein strebt eine Auslieferung des früheren katalanischen Regionalpräsidenten Carles Puigdemont an Spanien an. Ein entsprechender Antrag an das Oberlandesgericht (OLG) in Schleswig werde derzeit vorbereitet, teilte die Behörde am Dienstag mit. Das OLG verwies darauf, dass bislang kein Antrag vorliege. Es wies zugleich das Ersuchen der Generalstaatsanwaltschaft zurück, den Auslieferungshaftbefehl gegen Puigdemont wieder in Vollzug zu setzen. Er bleibe auf freiem Fuß, weil "keine erhöhte Fluchtgefahr" bestehe, hieß es.
Die spanische Justiz wirft Puigdemont wegen seiner Rolle beim katalanischen Streben nach Unabhängigkeit Rebellion sowie die Veruntreuung öffentlicher Gelder vor und fordert seine Auslieferung. Der Politiker wurde am 25. März auf Grundlage eines von Spanien erwirkten europäischen Haftbefehls auf der Durchreise in Schleswig-Holstein festgenommen.
Das OLG in Schleswig erließ einen Auslieferungsbefehl wegen des Vorwurfs der Untreue, setzte diesen aber gegen Auflagen außer Vollzug. Puigedemont wurde nach der Hinterlegung einer Kaution von 75.000 Euro aus dem Gefängnis von Neumünster entlassen, darf die Bundesrepublik aber nicht verlassen und muss sich wöchentlich bei der Polizei melden. Eine Überstellung an Spanien wegen des weit gravierenderen Vorwurfs der Rebellion hatte das OLG abgelehnt. Zur Begründung hieß es, Puigdemonts Verhalten wäre nach hier geltendem Recht zum Hochverrat nicht strafbar, weil es am Merkmal der Gewalt fehle.
Die Generalstaatsanwaltschaft stellte dies nun in Zweifel. Die Behörde führte dazu "neue von den spanischen Behörden übermittelte Informationen" ins Feld. Es handle sich insbesondere um "zur Verfügung gestellte Videos, die die gegenüber den spanischen Polizeikräften verübten Gewalttätigkeiten zeigen".
"Die Ausschreitungen hatten ein solches Ausmaß, dass die Generalstaatsanwaltschaft davon ausgeht, dass auch wegen des Vorwurfs der Rebellion auszuliefern ist", erklärte die Behörde. Nach deutschem Recht komme nicht nur eine Strafbarkeit wegen Hochverrats, sondern auch wegen Landfriedensbruchs in einem besonders schweren Fall in Betracht. Daher sei "davon auszugehen, dass nach wie vor Fluchtgefahr bestehe", begründete die Generalstaatsanwaltschaft den Antrag, den Auslieferungshaftbefehl wieder in Vollzug zu setzen.
Dies beurteilte das OLG anders. Es sah "aufgrund der vorgelegten Informationen keine erhöhte Fluchtgefahr". Wann mit einer abschließenden Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung zu rechnen sei, sei derzeit noch offen, erklärte das OLG. "Bisher liegt kein Antrag des Generalstaatsanwalts auf Feststellung der Zulässigkeit einer Auslieferung vor."
Im Streit um die Abspaltung Kataloniens von Spanien hatte Puigdemont ein umstrittenes Unabhängigkeitsreferendum im vergangenen Oktober organisiert, obwohl die Abstimmung von der spanischen Justiz als illegal eingestuft worden war. Nach der Abstimmung rief die Regionalregierung einseitig die Unabhängigkeit Kataloniens aus, wurde daraufhin aber von der spanischen Zentralregierung abgesetzt. Puigdemont floh außer Landes.
(S. Sokolow--BTZ)