Merkel: Gutes Verhältnis zu Russland ist im "Interesse" von Deutschland
Bei ihrem Besuch in Sotschi hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ein gutes Verhältnis mit Russland zum "strategischen Interesse" Deutschlands erklärt. Merkel und der russische Präsident Wladimir Putin hoben nach ihren Beratungen am Freitag hervor, dass es bei allen Differenzen doch auch erhebliche Gemeinsamkeiten gebe. Beide betonten ihren Willen zum Dialog. "Wir haben ein strategisches Interesse daran, gute Beziehungen zu Russland zu haben", sagte Merkel.
Nach einem Vier-Augen-Gespräch in Putins Sommerresidenz am Schwarzen Meer beschrieb Merkel den gegenwärtigen Zustand des Verhältnisses so: "Die deutsch-russische Zusammenarbeit muss sehr schwere Differenzen aushalten und manchmal auch sehr grundsätzliche." Es gebe aber auch "Themen, bei denen wir durchaus einer Meinung sind, und das ist ja dann auch gut bei den vielen Fragen, bei denen wir nicht einer Meinung sind".
Die beiden Politiker, die sich seit mehr als zwölf Jahren regelmäßig austauschen, betonten ihren Willen zur gegenseitigen Abstimmung. "Ich halte das Miteinander-Reden für absolut wichtig", sagte Merkel. Putin sagte: "Die Probleme zu lösen ist aber nicht möglich, wenn man keinen Dialog miteinander führt." Gerade in der Wirtschaft sei Deutschland ein "Schlüsselpartner" für Russland.
Einig waren sich Merkel und Putin darüber, dass das Atomabkommen mit dem Iran auch nach dem Ausstieg der USA erhalten werden müsse. Zu den Streitfragen zählten der Syrien-Krieg und der Konflikt in der Ukraine. In beiden Krisen spielt Russland eine wichtige Rolle, die Deutschland missfällt. Merkel und Putin stimmten aber in dem Ziel überein, in beiden Ländern die politischen Bemühungen um eine Konfliktbeilegung zu verstärken und dabei den Vereinten Nationen eine wichtige Rolle zukommen zu lassen - im Fall der Ukraine etwa in Form von UN-Truppen.
Merkel bat Putin, seinen Einfluss bei der syrischen Regierung geltend zu machen, um die drohende Enteignung des Besitzes von Flüchtlingen abzuwenden. Die Enteignungen wären eine "Barriere" für die Rückkehr der Flüchtlinge in ihre Heimat, sagte sie. Am Tag vor Merkel war Syriens Präsident Baschar al-Assad bei Putin in Sotschi.
Merkel und Putin sprachen auch über die politischen Auswirkungen der Gaspipeline Nord Stream 2 unter der Ostsee. Beide demonstrierten ihre Bereitschaft, den Sorgen der Ukraine entgegenzukommen. "Nach dem Start für Nord Stream 2 ist nicht geplant, den Transit von Gas über die Ukraine einzustellen, sagte Putin. Russland werde die Gaslieferungen fortsetzen, "solange diese wirtschaftlich gerechtfertigt sind". Dies wäre ein Zugeständnis Russlands an die Ukraine.
Merkel sagte, dass auch nach dem Bau der Pipeline "die Transitrolle der Ukraine weiter bestehen muss". Deutschland werde sich dafür engagieren. Der am Dienstag begonnene Bau der Pipeline zwischen Deutschland und Russland schürt Sorgen in Kiew, die Einnahmen aus dem Gastransit könnten einbrechen.
Nach dem jüngsten Wirbel um den Visums-Entzug für den ARD-Dopingexperten Hajo Seppelt sprach Merkel bei Putin auch das Thema Pressefreiheit an: Sie sei "durchaus beunruhigt" über die Behinderung der Arbeit von Journalisten in Russland, sagte die Kanzlerin. Sie habe "in speziellen Fällen darum gebeten, die Dinge noch einmal zu betrachten". Ob es dabei um den Fall Seppelt geht, ließ Merkel offen.
Putin brachte seinerseits den Fall des russischen Journalisten Kirilo Wischinski zur Sprache, der vor einigen Tagen in der Ukraine vom international als äußerst kriminell geltenden staatlichen Geheimdienst SBU (Sluschba bespeky Ukrajiny) festgenommen wurde. Merkel kündigte an, mit dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko über den Fall zu reden.
Merkel und Putin hatten sich zuletzt beim G-20-Gipfel im vergangenen Juli in Hamburg getroffen. Vor fast genau einem Jahr war Merkel schon einmal in Putins Sommerresidenz in Sotschi zu Gast.
(H. Müller--BTZ)