Gaza: Internationale Kritik an israelischem Massaker mit 60 Toten
Nach dem Tod dutzender palästinensischer Demonstranten im Gazastreifen wächst die Kritik am israelischen Vorgehen gegen die Proteste. Deutschland, Großbritannien, Belgien und die Schweiz sprachen sich am Dienstag für eine internationale Untersuchung der Vorfälle aus. Die Türkei verwies den israelischen Botschafter aus Protest vorübergehend des Landes. Der UN-Menschenrechtsrat und Amnesty International sprachen mit Blick auf das israelische Vorgehen von "Kriegsverbrechen".
Die Arabische Liga forderte den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) zu Ermittlungen zu den "Verbrechen der israelischen Besatzer" auf. IStGH-Chefermittlerin Fatou Bensouda erklärte, ihre Ermittler beobachteten die Ereignisse vor Ort aufmerksam, sie werde "die angemessenen Schritte ergreifen".
Die Türkei und Südafrika beorderten aus Protest bereits am Montagabend ihre Botschafter aus Israel zu Beratungen zurück. Belgien und Irland bestellten am Dienstag Israels Botschafter ein.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan bezeichnete Israel am Dienstag als "Apartheidstaat". Dem israelischen Regierungschef Benjamin Netanjahu warf er vor, er habe "das Blut von Palästinensern an den Händen". Israel verwies den türkischen Konsul bis auf Weiteres des Landes.
Bei Zusammenstößen zwischen Palästinensern und der israelischen Armee an der Grenze des Gazastreifens waren am Montag fast 60 Palästinenser getötet und mehr als 2400 verletzt worden. Die Proteste entzündeten sich an der Verlegung der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem.
Im Gegensatz zur internationalen Kritik bescheinigte die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Nikki Haley, Israel, "mit Zurückhaltung" gegen die palästinensischen Demonstranten vorgegangen zu sein. Kuwait kündigte den Entwurf einer UN-Resolution zum Schutz palästinensischer Zivilisten an.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) telefonierte mit Netanjahu und drückte ihre "Sorge über die Eskalation der Gewalt aus", wie Regierungssprecher Steffen Seibert mitteilte. Deutschland habe "Verständnis für die Sicherheitsbelange Israels". Kritik am harten Vorgehen der israelischen Armee wurde nicht geäußert. Stattdessen hieß es mit Blick auf die Palästinenser, das Recht auf freie Meinungsäußerung und zur friedlichen Versammlung dürfe nicht "missbraucht werden, um Unruhen zu provozieren".
Am Dienstag gedachten die Palästinenser des 70. Jahrestages der Nakba (deutsch: Katastrophe) - der Vertreibung und Flucht von mehr als 700.000 Landsleuten nach der Staatsgründung Israels. Neue schwere Zusammenstöße entlang der Grenze blieben jedoch aus. Die Zahl der Demonstranten war deutlich kleiner als am Vortag, nur vereinzelt kam es zu Gewalt. Zwei Palästinenser wurden nahe dem Flüchtlingslager Al-Bureidsch von israelischen Sicherheitskräften erschossen.
Tausende Palästinenser beerdigten derweil die Opfer der Proteste vom Vortag. Unter den 59 Todesopfern waren auch mehrere Kinder und Jugendliche, darunter ein kaum acht Monate altes Mädchen, das an Tränengas erstickt war.
Der endgültige Status Jerusalems ist einer der größten Streitpunkte im Nahost-Konflikt. Die Palästinenser beanspruchen den 1967 von Israel besetzten und 1980 annektierten Ostteil Jerusalems als künftige Hauptstadt des von ihnen angestrebten eigenen Staates. Israel beansprucht ganz Jerusalem als Hauptstadt.
(A. Bogdanow--BTZ)