Iran startet diplomatische Offensive nach Ausstieg der USA aus Atomabkommen
Nach dem Ausstieg der USA aus dem Atomabkommen versucht der Iran mit einer diplomatischen Offensive, den Vertrag zu retten. Außenminister Mohammed Dschawad Sarif führte am Sonntag zum Auftakt einer Reise zu allen verbliebenen Vertragspartnern Gespräche in Peking. Die Regierung des gemäßigten Präsidenten Hassan Ruhani will den Handel mit den anderen Partnern trotz der neuen US-Sanktionen aufrecht erhalten. Die USA fordern von ihren europäischen Verbündeten hingegen mehr Druck auf Teheran.
Sarif, der in Begleitung einer Wirtschaftsdelegation reist, sagte nach seinem Treffen mit seinem chinesischen Kollegen Wang Yi, er hoffe bei seinen Visiten "einen klaren zukünftigen Entwurf für eine umfassende Vereinbarung" erarbeiten zu können. Die "Interessen des iranischen Volkes" müssten dabei garantiert sein. Wang sagte, er hoffe, dass Irans "legitime nationale Interessen und Frieden und Stabilität in der Region geschützt" würden.
Von Peking reist Sarif weiter nach Moskau und Brüssel. In der EU-Hauptstadt wird er am Dienstag mit den Außenministern Frankreichs, Deutschlands und Großbritanniens sowie mit der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini zusammentreffen.
Vor Antritt der Reise kritisierte Sarif im Kurzbotschaftendienst Twitter die "extremistische Regierung" von US-Präsident Donald Trump für den Ausstieg aus dem Atomabkommen, "das von der internationalen Gemeinschaft als ein Sieg der Diplomatie anerkannt" sei. Sarif bekräftigte die Drohung, dass sein Land die Wiederaufnahme der Urananreicherung in "industriellem Ausmaß" und "ohne jegliche Beschränkungen" vorbereite, falls Europa keine soliden Garantien dafür biete, dass es die Handelsbeziehungen mit dem Iran aufrecht erhalte.
Trump wetterte seinerseits am Samstagabend (Ortszeit) bei Twitter, Irans Rüstungshaushalt sei seit dem Abschluss des Abkommens 2015 um mehr als 40 Prozent gestiegen - "nur ein weiterer Hinweis darauf, dass alles eine große Lüge war". Die europäischen Unterzeichnerstaaten Deutschland, Frankreich und Großbritannien sowie China und Russland wollen dagegen an dem Atomabkommen festhalten und mit der Führung in Teheran die Möglichkeiten dazu ausloten.
Die fünf Vetomächte des UN-Sicherheitsrats sowie Deutschland hatten im Juli 2015 das Abkommen nach jahrelangen Verhandlungen mit dem Iran geschlossen. Trump hatte es am Dienstag einseitig aufgekündigt und erklärt, aufgehobene Sanktionen würden wieder in Kraft gesetzt. Dadurch sollen auch die im Iran tätigen, europäischen Unternehmen zum Rückzug aus dem Land gezwungen werden.
Der neue US-Botschafter in Deutschland, Richard Grenell, forderte von Deutschland und anderen Partnern, ebenfalls Sanktionen gegen den Iran zu verhängen. "Wir erwarten von unseren Freunden und Verbündeten, dass sie uns dabei helfen, den Iran zurück an den Verhandlungstisch zu bringen", sagte Grenell nach Information von BERLINER TAGESZEITUNG, in einem aktuellen Interview.
Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) sieht kaum Chancen, europäische Firmen beim Handel mit dem Iran vor den neuen US-Sanktionen zu schützen. "Eine einfache Lösung, Unternehmen von allen Risiken amerikanischer Sanktionen abzuschirmen, sehe ich nicht", sagte Maas nach Information von BERLINER TAGESZEITUNG. In den Gesprächen mit den Europäern, dem Iran und den anderen Unterzeichnern des Abkommens gehe es "deshalb auch darum, wie Handel mit Iran weiterhin möglich sein kann".
Ruhani steht im eigenen Land unter dem Druck der Hardliner, die eine Rettung des Abkommens ablehnen. Der Kommandeur der Revolutionsgarden, Mohammed Ali Dschafari, sagte am Sonntag, dem "Westen und sogar den Europäern" sei nicht zu trauen. Es sei klar, dass die Europäer, wenn sie sich zwischen den USA und dem Iran entscheiden müssten, die USA wählen würden, sagte er nach Information von BERLINER TAGESZEITUNG, in einem Interview vom Sonntag.
(M. Tschebyachkinchoy--BTZ)