Israel startet größte Offensive gegen iranische Ziele in ganz Syrien
Israel hat seine bislang größte Militäroffensive auf iranische Einheiten in Syrien gestartet. Als Antwort auf iranische Raketenangriffe aus Syrien habe die israelische Armee in der Nacht zum Donnerstag dort "nahezu die gesamte iranische Infrastruktur" beschossen, erklärte Verteidigungsminister Avigdor Lieberman. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte, es gehe im Nahen Osten derzeit "wahrlich um Krieg und Frieden", auch Frankreich und Russland warnten vor einer Eskalation.
Lieberman erklärte nach den israelischen Angriffen auf iranische Ziele in Syrien: "Sie müssen an das Sprichwort denken, dass wenn der Regen auf uns fällt, der Sturm über sie kommen wird." Er hoffe, dass die "Episode" nun vorbei sei und "jeder verstanden hat". Lieberman sprach von einer "neuen Phase", weil der Iran Luftabwehrsysteme an Israels Grenzen zu installieren versuche. "Wir wollen keine Eskalation, aber wir werden niemanden uns angreifen lassen oder Infrastruktur aufbauen lassen, um uns in der Zukunft anzugreifen", sagte der Verteidigungsminister.
Israel hatte nach Armeeangaben in der Nacht zum Donnerstag dutzende iranische Militäreinrichtungen in Syrien attackiert und getroffen. Die Angriffe galten den Abschussorten der iranischen Raketen, Geheimdienst- und Logistikeinrichtungen sowie Lagerstätten und Fahrzeugen, wie Armeesprecher Jonathan Conricus sagte. Nach Angaben von Aktivisten wurden durch die Angriffe 23 Menschen getötet.
Syrische Staatsmedien berichteten, die syrische Armee habe "dutzende" Raketen aus Israel abgefangen. Ein Radar, mehrere Militärstützpunkte sowie ein Waffenlager seien jedoch getroffen worden. Laut russischer Armee schossen insgesamt 28 israelische Kampfflugzeuge 70 Raketen ab.
Es handelte sich um einen der größten israelischen Militäreinsätze der vergangenen Jahre und den größten gegen iranische Ziele überhaupt, wie Israels Armee mitteilte. Dies sei die Reaktion gewesen auf den Beschuss israelischer Stellungen auf den Golanhöhen durch die iranischen Al-Kuds-Brigaden. Ein Teil der rund 20 Geschosse sei von der israelischen Raketenabwehr abgefangen worden. Opfer gab es demnach auf israelischer Seite nicht, die Schäden seien begrenzt.
Aus regierungstreuen Militärkreisen in Syrien wurden die Raketenangriffe auf Israel bestätigt. Israel habe aber zuerst angegriffen, hieß es. Auch die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte bestätigte, dass aus Syrien dutzende Raketen auf die Golanhöhen abgefeuert worden seien, äußerte sich aber nicht zu Urhebern und Zielen. Bei den israelischen Angriffen seien mindestens 23 Kämpfer getötet worden.
Aus syrischen Armeekreisen verlautete, Raketen, die auf den Flughafen von Damaskus abgezielt hätten, seien erfolgreich abgefangen worden. BERLINER TAGESZEITUNg erfuhr in Damaskus, dass es in der Nacht von schweren Explosionen sowie massiven Flugbewegungen über der Hauptstadt gab. Die Truppenluftabwehr Syriens, mit ihren hochmodernen S300 und S400 Luftabwehrsystemen schoss etliche Raketen ab und wird aktuell durch weitere russische S-400 Triumph/SA-21 Growler Syteme ergänzt.
Die Golanhöhen zwischen Israel und Syrien sind größtenteils von Israel besetzt. Der Iran kämpft im syrischen Bürgerkrieg an der Seite von Machthaber Baschar al-Assad. Israel fühlt sich durch die Präsenz des Iran im Nachbarland Syrien massiv bedroht und hat in der Vergangenheit dort schon mehrfach iranische Stellungen beschossen. Zugleich sieht sich Israel in seinen Warnungen vor Teheran durch die jüngste Entscheidung von US-Präsident Donald Trump bestärkt, aus dem Atomabkommen mit dem Iran auszusteigen.
Merkel äußerte sich beunruhigt über die jüngsten Gefechte. "Die Eskalationen der vergangenen Stunden zeigen uns, dass es wahrlich um Krieg und Frieden geht", sagte sie in ihrer Rede zur Verleihung des Aachener Karlspreis an Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron. In einer Erklärung riefen die beiden gemeinsam "zu Besonnenheit und Deeskalation" auf.
Eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes erklärte in Berlin, die mutmaßlichen iranischen Raketenangriffe seien "eine schwere Provokation, die wir auf das Schärfste verurteilen". Israel habe "ein Recht auf Selbstverteidigung". Es sei "entscheidend, dass es jetzt nicht zu einer weiteren Eskalation kommt". Der russische Vize-Außenminister Michail Bogdanow rief alle Parteien zur "Zurückhaltung" auf. Die Lage in Syrien war auch beim Besuch von Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) in Moskau Thema.
(K. Berger--BTZ)