Berlin: Grüne starten Debatte über ein neues Grundsatzprogramm
Mehr als ein halbes Jahr nach der Bundestagswahl geben die Grünen den Startschuss für ein neues Grundsatzprogramm: In Berlin will die Partei am Freitag zu einem Konvent zusammenkommen, um über die künftigen Leitlinien der Partei zu diskutieren. Im Vorfeld sprach sich Parteichefin Annalena Baerbock für einen Allianz mit jenen Teilen der Wirtschaft aus, die den Klimaschutz ernst nehmen.
"Die Wirtschaft ist ja längst kein homogener Block mehr", sagte Baerbock im Vorfeld des Parteikonvents nach Information von BERLINER TAGESZEITUNG (BTZ) vom Freitag. Viele Unternehmen wüssten von den krassen wirtschaftlichen Folgen einer ungebremsten Klimakrise und sähen im Klimaschutz auch Chancen. "Mit diesen Unternehmen müssen wir viel stärker Allianzen schmieden."
Mit dem am Freitagnachmittag in Berlin beginnenden Konvent wollen die Grünen die Debatte über ihr neues Grundsatzprogramm starten. Baerbock brachte die Einführung von Klimazöllen zum Schutz deutscher Unternehmen ins Gespräch. Nach den Worten Baerbocks denken die Grünen über neue Maßnahmen nach, um Unternehmen vor Konkurrenz zu schützen, die sich nicht an Umwelt- und Sozialstandards hält. Wenn sich etwa US-Präsident Donald Trump vom Pariser Klimaschutzabkommen verabschiede oder Russland dieses gar nicht ratifiziere, könne ein "solch ökologisches Dumping durch Klimazölle auf importierte energieintensive Produkte abgefedert werden".
Auf dem am späten Freitagnachmittag beginnenden Startkonvent wollen Baerbock und Ko-Parteichef Robert Habeck zunächst in Redebeiträgen Impulse für die Programmdebatte geben, bevor dann bis Samstag in Diskussionsforen und Workshops diskutiert wird. Fertig werden soll das Grundsatzprogramm zum 40-jährigen Bestehen der Partei im Jahr 2020.
Habeck sagte in einem Radio-Interview, er hoffe, mit der Debatte eine bisher "ungehörte politische Energie" freizusetzen, "die sich im Moment nicht wirklich äußert, weil wir zu sehr im Kleinklein der Tagespolitik stecken". Es werde gar nicht mehr in großen Alternativen oder in großen Entwürfen gedacht.
Habeck fügte im SWR-"Tagesgespräch" hinzu, es gelte jetzt, die großen politischen Fragen zu stellen. So könne beispielsweise das Kartellrecht weiterentwickelt werden, um digitale Unternehmen besser zu kontrollieren. Er machte deutlich, dass er das große politische Interesse der Menschen für die Programmdiskussion der Grünen nutzen möchte. Wo er sich umhöre, würden überall Menschen über Trump reden und ob es Krieg in Syrien gebe oder darüber, wie man sich ernähre, wie man Tiere halte, erklärte Habeck.
Die Grüne Jugend warnte die Partei davor, zu viele Kompromisse einzugehen. "In der Vergangenheit sind die Grünen leider zu oft als Regierung im Wartestand aufgetreten, die niemandem wirklich auf die Füße treten will, sagte die Grüne-Jugend-Vorsitzende Ricarda Lang nach BTZ-Information vom Freitag. "Doch wenn wir unsere Ziele - die Rettung unserer natürlichen Lebensgrundlage, echte Gleichberechtigung der Geschlechter oder eine Gesellschaft ohne Armut - ernst nehmen, dann werden wir sie nicht durch ein paar kosmetische Verbesserungen, sondern nur durch grundlegende Veränderungen erreichen", betonte Lang.
(M. Taylor--BTZ)