Prag: Koalitionsgespräche in Tschechien scheitern an Streit um Babis
Die Bemühungen von Tschechiens Ministerpräsident Andrej Babis um die Bildung einer Koalitionsregierung haben einen empfindlichen Rückschlag erlitten. Die Sozialdemokraten (CSSD) brachen am Freitag die Koalitionsgespräche mit Babis populistischer Ano-Partei ab. Als Grund nannten sie die juristischen Probleme des Ministerpräsidenten, der wegen des Verdachts auf Subventionsbetrug im Visier der Justiz steht. Das Scheitern der Gespräche lässt vorgezogene Neuwahlen wahrscheinlicher werden.
CSSD-Chef Jan Hamacek machte die Partei des Ministerpräsidenten verantwortlich: "Die Gespräche sind gescheitert, weil die Ano nicht willens war, das Problem eines unter Strafverfolgung stehenden Ministerpräsidenten anzupacken." Vize-Parteichef Jiri Zimola sagte, nun sei es an Babis, eine Lösung zu finden. Der Ministerpräsident hingegen machte die Sozialdemokraten verantwortlich: Diese hätten in den Gesprächen unerfüllbare Forderungen gestellt - so etwa die Übernahme des Innenministeriums, das die Ano für sich beansprucht.
Der populistische Milliardär Babis hatte die Parlamentswahl im Oktober mit einer europaskeptischen und gegen Zuwanderung gerichteten Kampagne klar gewonnen. Seine Bewegung Ano (Ja) wurde mit 78 Abgeordneten stärkste Kraft, ist in dem 200 Sitze umfassenden Parlament aber auf Koalitionspartner angewiesen. Die Betrugsvorwürfe gegen ihn weist Babis kategorisch zurück.
Tschechiens Präsident Milos Zeman hatte Babis mit der Regierungsbildung beauftragt und ihm bis Juni Zeit gegeben, eine Regierungsmehrheit zu organisieren. Zemans Sprecher kündigte am Freitag an, der Präsident werde sich zu Beratungen mit Babis treffen, eher er sich öffentlich zu seinen weiteren Schritten äußere.
Politische Beobachter sehen die Regierungsbildung in der Sackgasse. "Vorgezogene Neuwahlen sind nun das wahrscheinlichste Szenario", sagte der unabhängige Prager Politikexperte Jiri Pehe. Babis könnte dafür einen Termin im Oktober anpeilen, wenn auch Senatswahlen anstehen. Umfragen zufolge hätte die Ano-Partei derzeit gute Chancen, abermals als stärkste Kraft aus der Wahl hervorzugehen.
Wegen des Verdachts auf Subventionsbetrug hatte Babis im Mai sein Amt als Finanzminister verloren. Unter anderem wegen dieser Vorwürfe hatten viele Parteien Koalitionsgespräche von vornherein ausgeschlossen. Dem Unternehmer und Parteichef wird vorgeworfen, im Jahr 2007 mit seinem Konzern Agrofert unrechtmäßig Subventionen in Höhe von rund zwei Millionen Euro eingestrichen zu haben.
(A. Madsen--BTZ)