Deutschland: Koalitionsstreit in der GroKo über Familiennachzug
In der großen Koalition ist neuer Streit über den Familiennachzug entbrannt: Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) warnte die Union am Donnerstag davor, das vorgesehene Kontingent von 1000 Familiennachzüglern pro Monat zu verringern. Dem hielt CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt entgegen, bei der Zahl handele es sich um eine "Obergrenze", die keineswegs erreicht werden müsse. Das Innenministerium sieht sich mit seinem Gesetzentwurf auf der Linie des Koalitionsvertrags.
Maas sagte am Donnerstag beim Besuch der Visastelle der deutschen Botschaft im jordanischen Amman, die SPD werde keinem Entwurf zustimmen, mit dem das Kontingent von 1000 Angehörigen eher verringert werde. "Es nutzt nichts, in Berlin schöne Gesetze zu schreiben, die vor Ort dann nicht mehr praktizierbar sind", sagte Maas. Der von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) vorgelegte Gesetzentwurf zum Familiennachzug bei Flüchtlingen mit eingeschränktem Schutz werde nun daraufhin geprüft, "ob er praktikabel ist für die Kollegen vor Ort, die mit den Menschen in Kontakt sind".
Dobrindt hielt Maas entgegen: "Wer jetzt danach ruft, das Kontingent zwingend auszuschöpfen, versucht, eine humanitäre Sonderregelung für mehr Zuwanderung in unsere Sozialsysteme zu missbrauchen." Der Koalitionsvertrag definiere beim Familiennachzug eine Obergrenze für Einzelfälle ausschließlich aus humanitären Gründen. "Die Botschaft des Koalitionsvertrags ist klar: Wir wollen weniger, nicht mehr Zuwanderung", sagte Dobrindt.
Zuvor war Seehofers Gesetzentwurf zum Familiennachzug bekannt geworden. Er sieht vor, den Nachzug an strenge Kriterien zu knüpfen. Der Parlamentarische Staatssekretär Stephan Mayer (CSU) sagte nach Information von BERLINER TAGESZEITUNG vom Donnerstag, der Gesetzentwurf fuße auf der Koalitionsvereinbarung und treffe eine sachgerechte Interessenabwägung.
Mayer wies konkret den Vorwurf zurück, mit dem geplanten Gesetz würden Bezieher von Sozialleistungen vom Familiennachzug ausgeschlossen. Der Entwurf "ändert die bestehende Gesetzeslage nicht", sagte der Staatssekretär.
Außerdem wies Mayer den Einwand zurück, der Kreis der Familienmitglieder, die für den Nachzug infrage komme, werde eingeengt. Der Familiennachzug sei grundsätzlich schon bisher nur Angehörigen der Kernfamilie gewährt worden. Dazu gehörten Ehepartner, minderjährige ledige Kinder und die Eltern eines in Deutschland lebenden Minderjährigen, wenn sich kein sorgeberechtigtes Elternteil in Deutschland aufhält.
Die SPD-Abgeordnete Hilde Mattheis widersprach der Auffassung, der Gesetzentwurf entspreche dem Koalitionsvertrag. "Da haben wir eine andere Lesart", sagte sie in einem Radio-Interview. Seehofers Vorgehensweise sei "auch dem Wahlkampf in Bayern geschuldet", sagte Mattheis. Debatten über Seehofers Entwurf gab es aber auch in der Unionsfraktion. "Die vom Bundesinnenministerium vorgelegten Eckpunkte sind eine sehr gute und realitätsnahe Diskussionsgrundlage", erklärte der innen- und rechtspolitische Sprecher der CSU im Bundestag, Volker Ullrich. "Es geht jetzt um eine konstruktive Diskussion und nicht um ein Zerreden."
Es sei ein richtiger Schritt, den Familienzuzug von subsidiär Schutzberechtigten an bestimmte Voraussetzungen zu knüpfen, sagte Ullrich. Es sei sinnvoll, die Integrationsleistungen als Anreiz für den Nachzug einzustufen. Auch in der CDU gibt es Forderungen, den Aspekt der Integrationsleistung in dem Gesetz stärker hervorzuheben.
(K. Petersen--BTZ)