Lauterbach will Pflegebeitrag ab Juli offenbar um 0,35 Prozentpunkte erhöhen
Angesichts der schwierigen Finanzlage in der Pflegeversicherung will Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) den Beitragssatz für Versicherte zum 1. Juli offenbar um 0,35 Prozentpunkte erhöhen. Das geht nach Informationen mehrerer Medien vom Freitag aus einem Referentenentwurf des Bundesgesundheitsministeriums hervor. Kinderlose sollen demnach stärker zur Kasse gebeten werden. Ab 2024 soll derweil die finanzielle Unterstützung für pflegende Angehörige steigen.
Die gesetzliche Pflegeversicherung hatte im vergangenen Jahr wegen der kontinuierlich steigende Zahl von Pflegebedürftigen ein Defizit von rund 2,2 Milliarden Euro verbucht. Der Beitragssatz in der Pflegeversicherung liegt derzeit bei 3,05 Prozent des Bruttoeinkommens, bei Kinderlosen bei 3,4 Prozent. Für abhängig Beschäftigte zahlt der Arbeitgeber die Hälfte des Beitragssatzes.
"Zur Sicherung der finanziellen Stabilität der sozialen Pflegeversicherung" werde der Beitragssatz "zum 1. Juli 2023 moderat um 0,35 Prozentpunkte angehoben", zitierten das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) und die "Bild"-Zeitung aus dem Entwurf. Auch das Portal "The Pioneer" berichtete über die Pläne.
Gründe für die Erhöhung seien die demographische Entwicklung und höhere Ausgaben für die Eigenanteilsreduzierung in der vollstationären Pflege, berichtete das RND. Hinzu kämen die hohen Kosten für die Erstattung von Pandemie-Mehraufwendungen und Mindereinnahmen der Pflegeeinrichtungen.
Das Bundesgesundheitsministerium wollte die Angaben am Freitag nicht bestätigen. Es verwies darauf, dass die Pläne noch "Gegenstand regierungsinterner Beratungen" seien.
Den Berichten zufolge will Lauterbach auch die häusliche Pflege etwa durch Angehörige stärken. Dafür solle das Pflegegeld zum 1. Januar 2024 um fünf Prozent erhöht werden. Auch die Sachleistungsbeiträge sollen demnach angesichts lohnbedingt steigender Vergütungen ambulanter Pflegeeinrichtungen zum 1. Januar 2024 angehoben werden.
Weiter solle dem Trend zu steigenden Eigenanteilen noch stärker entgegengewirkt werden. Den Berichten zufolge sollen demnach die Leistungszuschläge zur Reduzierung der von den Pflegebedürftigen zu tragenden Eigenanteile in der vollstationären pflegerischen Versorgung ab dem 1. Januar 2024 nochmals um fünf bis zehn Prozentpunkte erhöht werden.
Angesichts der vom Bundesverfassungsgericht ab Sommer geforderten Entlastung für kinderreiche Familien soll laut Entwurf der Kinderlosenzuschlag um 0,25 Beitragssatzpunkte auf 0,6 Beitragssatzpunkte angehoben werden.
Den Bund strebe zudem zum 1. Januar 2025 und zum 1. Januar 2028 eine automatische Dynamisierung der Geld- und Sachleistungen in Anlehnung an die Preisentwicklung an, berichtete das RND. Für die langfristige Leistungsdynamisierung wolle die Bundesregierung "noch in dieser Legislaturperiode Vorschläge erarbeiten".
"The Pioneer" berichtete, die Reform koste laut Gesetzentwurf mittelfristig rund drei Milliarden Euro pro Jahr. Die Beitragssatzerhöhung würde demnach der Pflegeversicherung in diesem Jahr 3,15 Milliarden Euro mehr bringen, ab 2024 dann 6,6 Milliarden Euro.
Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) sah in dem Entwurf immerhin "ein Signal, dass die Bundesregierung die Probleme der Pflegebedürftigen und der Pflegeversicherung versucht anzugehen". Allerdings bleibe die vorgesehene Höhe der Anpassung der Leistungsansprüche "hinter der erheblichen Kostenentwicklung deutlich zurück".
Mit dem Vorschlag löse Lauterbach das Versprechen der Koalition nicht ein, die Pflegeversicherung dauerhaft finanziell zu stärken, kritisierte der AOK-Bundesverband. Zusammen mit weiteren Kassen und Sozialverbänden wandte sich die AOK demnach in einem Brief an Kanzler Olaf Scholz (SPD) und Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP). Sie bitten darin "eindringlich, die Finanzierung der sozialen Pflegeversicherung durch Bundesmittel schnell zu stabilisieren, damit die notwendige Sicherung der Liquidität nicht ausschließlich zu Lasten der Beitragszahlenden erfolgt".
U. Schmidt--BTZ