Deutlicher Rückgang bei Organspenden und Zahl der Spender im vergangenen Jahr
Die Organspendezahlen sind im Jahr 2022 in Deutschland deutlich gesunken. "Das ernüchternde Fazit ist, dass wir im vergangenen Jahr weniger Menschen mit einer lebensrettenden Transplantation helfen konnten", erklärte Axel Rahmel, Medizinischer Vorstand der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) am Montag in Frankfurt am Main. Für die Patientinnen und Patienten auf den Wartelisten sei dies "dramatisch". Häufig fehlt demnach eine Einwilligung für die Organentnahme.
Im vergangenen Jahr spendeten insgesamt 869 Menschen nach ihrem Tod ein oder mehrere Organe. Dies waren 64 weniger als im Vorjahr, was einem Rückgang von 6,9 Prozent entspricht. Auch die Zahl der in deutschen Kliniken entnommenen Organe, die für eine Transplantation an die internationale Vermittlungsstelle Eurotransplant gemeldet wurden, sank demnach im Vergleich zum Vorjahr von 2905 auf 2662. Das war ebenfalls ein Rückgang um 8,4 Prozent.
In den 46 deutschen Transplantationszentren wurden im vergangenen Jahr insgesamt 2795 Organe nach postmortaler Spende übertragen. Damit wurde insgesamt 2695 schwer kranken Patientinnen und Patienten eine bessere Lebensqualität oder sogar ein Weiterleben geschenkt - nach 2853 im Jahr 2021. Zugleich stehen in Deutschland derzeit rund 8500 Menschen auf den Wartelisten für ein Spenderorgan.
Als Ursachen für die rückläufigen Spendenzahlen nennt die DSO die Auswirkungen der Coronapandemie und die daraus folgenden Krankenstände beim Klinikpersonal, was im ersten Quartal 2022 zum Einbruch der Organspendezahlen um 30 Prozent führte. Danach habe sich die Lage auf dem Niveau der Vorjahre stabilisiert. Rahmel zufolge "stellt sich die Frage, warum es nicht gelingt, die Organspendezahlen zu steigern", trotz der guten Voraussetzungen durch die gesetzlichen Veränderungen.
Laut den Statistiken wurden tatsächlich im Vergleich zu den Vorjahren weniger Spenden realisiert. Der häufigste Grund sei "die fehlende Einwilligung", erklärte der DSO-Vorstand. "Mit dem zunehmenden Alter der Spender spielen aber auch Kontraindikationen, also medizinische Ausschlussgründe, eine immer größere Rolle."
Im vergangenen Jahr fehlte bei der Hälfte der möglichen Organspenden, die letztlich nicht realisiert werden konnten, eine Einwilligung. In weniger als einem Viertel der Fälle war dies auf den schriftlichen oder mündlichen Willen der Verstorbenen zurückzuführen. Bei 42 Prozent erfolgte die Ablehnung aufgrund des vermuteten Willens der Verstorbenen. 35 Prozent der Ablehnungen beruhten auf Entscheidungen der Angehörigen, denen der Wille der Verstorbenen nicht bekannt war.
Die DSO forderte, die Organspende "endlich als gesamtgesellschaftliche Aufgabe" zu begreifen. Umfragen zeigten, dass acht von zehn Bürgerinnen und Bürgern die Organspende befürworten. Angehörige entschieden sich aus Unsicherheit aber häufig dagegen, weil der Wille des Verstorbenen nicht bekannt sei. Hier könne nur Aufklärung etwas verändern - und "möglicherweise auch der Anstoß über eine Widerspruchsregelung". Bei diesem Modell soll jeder Bürger als möglicher Organspender gelten, der zu Lebzeiten keinen Widerspruch erklärt oder dessen nächste Angehörige keinen Widerspruch bekannt machen.
N. Lebedew--BTZ