EZB bleibt trotz hoher Inflation auf ihrem geldpolitischen Kurs
Trotz der hohen Inflation und der Auswirkungen des Ukraine-Kriegs bleibt die Europäische Zentralbank (EZB) bei ihrem geldpolitischen Kurs: Der Leitzins bleibt bei null Prozent, auch die beiden weiteren wichtigen Zinssätze ließ die EZB unverändert, wie sie am Donnerstag mitteilte. "Wir bleiben bei unserer Reihenfolge", sagte EZB-Präsidentin Christine Lagarde. Diese sehe "zuerst ein Ende der Anleihekäufe und einige Zeit danach eine Entscheidung über Zinserhöhungen" vor.
Der EZB-Rat bestätigte so am Donnerstag seinen im März beschlossenen Zeitplan, die Anleihekäufe im dritten Quartal zu beenden. "Wir bleiben weiterhin offen, wann genau dies im dritten Quartal geschehen wird", sagte Lagarde weiter. Das Ende der milliardenschweren Anleihekäufe könnte demnach "früher oder später im dritten Quartal kommen".
Es sei wichtig anzuerkennen, dass die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs nur schwer vorhersehbar seien. "Es ist unglaublich schwierig, dies in den Modellen zu berücksichtigen, mit denen wir Projektionen erstellen", sagte Lagarde. Die Entscheidung über den Endzeitpunkt der Anleihekäufe werde aber auf Basis von validen Daten und Projektionen bei der nächsten Ratssitzung im Juni getroffen werden.
Ein Ende der Anleihekäufe gilt als eine Vorbedingung für eine Erhöhung der Zinssätze. Daher waren die Rufe nach einem festen Enddatum für die Anleihekäufe zuletzt lauter geworden.
"Der Krieg in der Ukraine belastet die Wirtschaften des Euroraums schwer und hat die Unsicherheit erhöht", sagte Lagarde. Die Auswirkungen des Krieges könnten die Stimmung von Verbrauchern und Unternehmen demnach stärker belasten als die Corona-Pandemie und Lieferengpässe weiter verschärfen.
"Die Inflation ist deutlich angestiegen und wird über die kommenden Monate hoch bleiben, hauptsächlich aufgrund der Energiepreise", prognostizierte Lagarde. Im März hatte die Inflation im Euroraum einen Höchststand von 7,5 Prozent erreicht.
Aufgrund der "hohen Unsicherheit" wolle sich der EZB-Rat "Flexibilität wahren", hieß es in der schriftlichen Mitteilung des Rats. Das Gremium betonte zudem erneut, dass die Zentralbank "jegliche Maßnahmen ergreifen" werde, die zur Wahrung der Preisstabilität erforderlich seien.
Auch der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), Marcel Fratzscher, betonte, dass die EZB "angesichts der enormen wirtschaftlichen Risiken" keine andere Wahl habe, als sich "alle Optionen offen zu halten". Bei einem Embargo oder einem Lieferstopp von russischer Energie müsse die EZB in der Lage sein, "eine Kehrtwende zu vollziehen und eine wieder expansivere Geldpolitik zu verfolgen". Sollte sich die Wirtschaft hingegen weiter erholen, müsse die EZB "möglichst bald mit ihrem Ausstieg aus der lockeren Geldpolitik beginnen".
Auch der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands deutscher Banken, Christian Ossig, bezeichnete die Entscheidung der EZB als "richtig und konsequent". Er mahnte jedoch ein Ende der Negativzinspolitik noch in diesem Jahr an. "Je schneller die europäische Notenbank das entscheidet, desto klarer sind die damit verbundenen Signale an Tarifparteien, Investoren und Unternehmen", erklärte Ossig.
Der Deutscher Sparkassen- und Giroverband warnte hingegen vor der wachsenden Gefahr einer Lohn-Preis-Spirale. "Schon jetzt steigen die Inflationserwartungen, die Anleger, Unternehmer und Arbeitnehmer bei ihren Entscheidungen und Forderungen zugrunde legen, von Monat zu Monat erkennbar an", erklärte Sparkassenpräsident Helmut Schleweis. Er forderte die EZB auf, "der Inflation mit einer eindeutigen Kommunikation und klaren Entscheidungen entgegenzutreten".
F. Schulze--BTZ