Haneke kritisiert "Hexenjagd" im Gefolge schmutziger #MeToo-Debatte
Der österreichische Regisseur Michael Haneke sieht die Richtung, in die die Debatte um sexuelle Belästigung und Diskriminierung im Kulturbereich geht, kritisch. "Dieser neue, männerhassende Puritanismus, der im Kielwasser der #MeToo-Bewegung daherkommt, besorgt mich", sagte der 75-jährige Star-Regisseur nach Information von BERLINER TAGESZEITUNG, in einem aktuellen Interview.
Selbstverständlich sei auch er der Auffassung, dass "jede Form von Vergewaltigung oder Nötigung" geahndet werden müsse. Aber "diese Vorverurteilungshysterie", die jetzt um sich greife, finde er "absolut degoutant", sagte Haneke weiter, der selbst nicht Gegenstand von Vorwürfen ist. Ihn störe diese "unreflektierte Gehässigkeit", die das Leben von Menschen zerstöre, deren Straftat in vielen Fällen noch gar nicht erwiesen sei, führte er weiter aus. "Leute werden einfach medial gekillt, Leben und Karrieren ruiniert." So würden verdächtigte Schauspieler aus Filmen und Serien herausgeschnitten, "um keine Besucherzahlen einzubüßen". Diese "Hexenjagd" vergifte das gesellschaftliche Klima und mache "jede Auseinandersetzung mit diesem sehr wichtigen Thema umso schwieriger".
Der unter anderem mit einem Oscar, zwei Golden Globes und zwei Goldenen Palmen ausgezeichnete Filmemacher warnte darüber hinaus vor einem Angriff auf die künstlerische Freiheit. Als Beispiel erinnerte an die jüngste US-Petition gegen ein Bild des Malers Balthus, das ein junges Mädchen in einer zweideutigen Pose zeigt.
Vor "diesem Feldzug gegen jede Form von Erotik bekommt man es als Künstler mit der Angst zu tun", sagte der 75-Jährige dazu weiter. Er zeigte sich überzeugt, dass Nagisa Oshimas Film "Im Reich der Sinne" von 1976 heute nicht mehr gedreht werden könnte, "weil die Förderungs-Institutionen in vorauseilendem Gehorsam gegenüber diesem Terror das nicht zulassen würden".
(D. Wassiljew--BTZ)