RKI sieht trotz steigender Coronavirusfälle weiterhin "geringes bis mäßiges" Risiko
Trotz der Zunahme der Coronavirusfälle in Deutschland sieht das Robert-Koch-Institut (RKI) nach wie vor kein erhöhtes Risiko. "Das Risiko ist als gering bis mäßig einzuschätzen", sagte RKI-Vizepräsident Lars Schaade am Freitag in Berlin. Aus mehreren Bundesländern wurden neue Erkrankungsfälle gemeldet. Die Gesamtzahl der Ende Januar in Bayern erstmals aufgetretenen Coronavirusfälle stieg inzwischen auf mehr als 50.
Rund 30 neue Infektionen wurden zuletzt aus Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Hessen und Bayern gemeldet. Bei dem ersten von dem Virus betroffenen Patienten in Hamburg handelt es sich um einen Kinderarzt am Hamburger Universitätskrankenhaus Eppendorf (UKE). Mehr als 50 enge Kontaktpersonen des Manns aus dem Patienten- und Kollegenkreis wurden überwacht und isoliert, darunter 16 junge Patienten.
Der Arzt wohnt in Schleswig-Holstein und war kürzlich in Italien im Urlaub, jedoch nicht in einer offiziell als Risikogebiet geltenden Gegend. Italien ist der größte Herd des Coronavirus in Europa. Dort gibt es inzwischen hunderte bestätigte Infektionsfälle und zahlreiche Todesopfer.
Auch in Hessen wurde der Erreger der neuartigen Lungenkrankheit Covid-19 bei einem Patienten nachgewiesen, der beruflich in Italien war. In Nordrhein-Westfalen wurden nach Angaben der Behörden weitere 14 Infektionen im Kreis Heinsberg bestätigt. Die Zahl der Fälle in dem Kreis wuchs damit auf 20. Mehrere hundert Menschen befanden sich in Quarantäne.
Die Zahl der mit dem Coronavirus infizierten Patienten in Baden-Württemberg stieg bis Freitagnachmittag auf zwölf. Nach Angaben des Landessozialministeriums wurde einer der Betroffenen im Rahmen bundesweiter Stichproben auf normale Grippe als coronainfiziert erkannt. Auch aus Bayern wurde ein neuer Ansteckungsfall gemeldet.
Das Robert-Koch-Institut bleibt bislang bei seiner aktuellen Risikoeinschätzung, wonach mit einem Import von weiteren Fällen nach Deutschland gerechnet werden müsse und auch weitere Übertragungen, Infektionsketten sowie örtliche Ausbrüche möglich seien. Die insgesamt mehr als 50 bestätigten Fälle beschränkten sich zumeist auf konkrete Ausbrüche, so dass es derzeit "kein breites Geschehen" zu geben scheine, sagte Schaade. Bislang sei nur in einem Fall ein schwerer Krankheitsverlauf bekannt.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) beriet am Freitag mit den Ministern für Gesundheit und Inneres, Jens Spahn (CDU) und Horst Seehofer (CSU), über die Ausbreitung des Coronavirus in Deutschland. Strategien gegen eine weitere Ausbreitung des Virus waren auch Thema eines Treffens des Krisenstabs unter der gemeinsamen Leitung der beiden Ministerien am Nachmittag.
Der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, forderte Prioritäten bei den Tests auf Coronaviren. "Wir werden nicht flächendeckend screenen können", sagte er der "Welt". Vorrang müssten Menschen mit einem möglichen schweren Krankheitsverlauf haben. Dazu gehörten Patienten mit Vorerkrankungen wie Asthma, Diabetes, Fettleibigkeit oder Patienten über 60 Jahre. Man könne "nicht jeden, der leicht hustet, testen".
Nach Ansicht des Ärztepräsidenten wird es nicht gelingen, die Infektionsketten zu unterbrechen und das Virus einzudämmen. "Es wird eine epidemische Welle durch die Bevölkerung gehen."
Das RKI riet erneut zu regelmäßigem Händewaschen und einer korrekten Nies- und Hustenetikette, also etwa Husten und Niesen in Ellbogen und Einwegtaschentücher. Desinfektionsmittel und Schutzmasken gegen das neuartige Coronavirus halten die Experten im Alltag hingegen für unnötig.
Der Deutsche Journalistenverband (DJV) warnte unterdessen vor einer reißerischen Berichterstattung über die Ausbreitung des Coronavirus. "Was die Menschen jetzt brauchen, sind Aufklärung, Rat und Orientierung", erklärte DJV-Chef Frank Überall.
(A. Lefebvre--BTZ)