Ungarn gewährt wegen Korruption gesuchtem PiS-Politiker Asyl - Warschau empört
Die Gewährung von Asyl in Ungarn für einen in Polen wegen Korruptionsvorwürfen gesuchten Politiker hat heftigen Streit zwischen beiden Ländern ausgelöst. Die Regierung in Warschau bewertete den Vorgang am Freitag als "feindseligen Akt". Sie bestellte deshalb den ungarischen Botschafter ein und rief ihren eigenen Botschafter aus Budapest zurück, wie das polnische Außenministerium mitteilte.
Die ungarische Regierung hatte am Donnerstag mitgeteilt, den Antrag des Politikers der rechtsnationalistischen früheren Regierungspartei PiS und Ex-Vizejustizministers Marcin Romanowski auf "politisches Asyl" genehmigt zu haben. Dies sei "im Einklang mit ungarischem und europäischem Recht" geschehen, sagte der Kabinettschef von Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban, Gergely Gulyas, der Zeitung "Mandiner".
Politisches Asyl könne gewährt werden, wenn nicht zweifelsfrei gewährleistet sei, dass der Rechtsfall des Betroffenen in seinem Heimatland "unparteiisch und frei von politischer Einflussnahme" behandelt werde, führte Gulyas aus. "Dieses Risiko besteht heute in Polen ganz allgemein und besonders in diesem Fall", sagte der Kabinettschef.
Die polnische Regierung reagierte empört. Der ungarische Botschafter sei noch für Freitag einbestellt worden, um ihm den "offiziellen Protest" Polens zu übermitteln, teilte das Außenministerium mit. Zugleich sei der polnische Botschafter in Ungarn zu "Konsultationen" nach Warschau zurückgerufen worden.
Das Asyl für Romanowski mit einer "vorgeblichen politischen Verfolgung" zu rechtfertigen, sei "beleidigend für die polnischen Bürger und Behörden", befand das polnische Außenministerium. Romanowski werde mit einem europäischen Haftbefehl gesucht. Ihm Asyl zu gewähren, verstoße gegen "die elementaren Prinzipien, die für Mitgliedstaaten der Europäischen Union gelten".
Der polnische Ministerpräsident Donald Tusk griff seinen ungarischen Kollegen Orban wegen des Vorgangs scharf an. "Jene, die gestohlen haben und die korrupt sind, flüchten sich in Staaten und unter die Flügel von Politiker, die ihnen ähneln", hatte Tusk am Rande des EU-Gipfels in Brüssel in unmissverständlich auf Orban gemünzten Worten gesagt.
Die polnische Staatsanwaltschaft wirft Romanowski vor, als Vizejustizminister der früheren Pis-Regierung fast 40 Millionen Euro veruntreut oder dies versucht zu haben. Die Gelder stammten nach Angaben der Ermittler aus einem Hilfsfonds für Kriminalitätsopfer.
Romanowski war in Polen zunächst festgenommen worden, wurde dann aber wieder freigelassen. Polnische Gerichte hatten seine Inhaftierung als illegal eingestuft, weil er als Mitglied der Parlamentarischen Versammlung des Europarats parlamentarische Immunität genoss. Die Versammlung hob später seine Immunität jedoch auf, woraufhin Romanowski vor knapp zwei Wochen untertauchte.
Es ist nicht das erste Mal, dass Ungarn einem ausländischen politischen Verbündeten Orbans Zuflucht vor Strafverfolgung gewährt. 2018 erhielt der nordmazedonische Ex-Regierungschef, Nikola Gruevski, Asyl in Ungarn; er war zuvor in seiner Heimat wegen Amtsmissbrauchs zu zwei Jahren Haft verurteilt worden.
Im vergangenen Februar Jahr verbrachte der rechtsradikale brasilianischen Ex-Präsident Jair Bolsonaro zwei Tage in der ungarischen Botschaft in Brasília, nachdem die brasilianische Polizei seinen Pass beschlagnahmt und zwei seiner Berater festgenommen hatte. Zuvor hatten Ermittler ihren Verdacht geäußert, dass Bolsonaro einen "Putschversuch" angezettelt habe, um die Machtübernahme durch seinen linksgerichteten Gegner bei der Präsidentschaftswahl 2022, den heutigen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva, zu verhindern.
O. Karlsson--BTZ