Nach Ausrufung des Kriegsrechts: Südkoreas Polizei ermittelt gegen Präsident Yoon
Nach der kurzzeitigen Ausrufung des Kriegsrechts hat die südkoreanische Polizei gegen Staatschef Yoon Suk Yeol Ermittlungen wegen mutmaßlichen "Aufruhrs" eingeleitet. Die Untersuchung sei im Gange, sagte der Chef der nationalen Ermittlungsabteilung der Polizei, Woo Kong Suu, am Donnerstag vor Abgeordneten. Während sich Yoon bislang noch nicht öffentlich äußerte, demonstrierten erneut Tausende im Zentrum von Seoul für den Rücktritt des Präsidenten.
Die Opposition hatte wegen der Ausrufung des Kriegsrechts Anzeige gegen Yoon und andere Beteiligte erstattet. Für den Straftatbestand des Aufruhrs gilt die präsidentielle Immunität nicht - er kann mit der Todesstrafe geahndet werden.
Yoon hatte wegen eines Haushaltsstreits zwischen der regierenden PP und der größten Oppositionspartei DP am späten Dienstagabend das Kriegsrecht ausgerufen. Als Begründung nannte er den Schutz eines "liberalen Südkoreas vor den Bedrohungen durch Nordkoreas kommunistische Truppen". Es war das erste Mal seit mehr als 40 Jahren, dass in Südkorea zu einem solche Mittel gegriffen wurde.
Zwar hob der Staatschef das Kriegsrecht wenige Stunden später wieder auf - dennoch stürzte das Land in politisches Chaos und auch international löste der Vorgang Bestürzung aus.
Die Opposition reichte in der Folge einen Antrag auf Amtsenthebung gegen Yoon ein und sprach von "schwerwiegenden Verstößen gegen die Verfassung und das Gesetz". Dies sei ein "unverzeihliches Verbrechen", das "nicht begnadigt werden kann, sollte und wird", sagte der Abgeordnete Kim Seung Won. Laut der südkoreanischen Nachrichtenagentur Yonhap soll das Parlament am Samstag gegen 19.00 Uhr (Ortszeit, 11.00 Uhr MEZ) über den Antrag abstimmen.
Die Opposition verfügt im Parlament über eine komfortable Mehrheit, sie braucht aber acht Stimmen von der PP, um auf eine nötige Zweidrittelmehrheit zu kommen. Allerdings kündigte PP-Fraktionschef Choo Kyung Ho bereits an, dass alle 108 Abgeordneten seiner Partei "geschlossen bleiben" würden, "um das Amtsenthebungsverfahren gegen den Präsidenten abzulehnen".
Oppositionsführer Lee Jae Myung sagte der Nachrichtenagentur Bloomberg, dass die Absetzung von Yoon immer noch eine Herausforderung sein könnte. Die Situation sei nach wie vor "im Fluss".
Sollte das Parlament dem Antrag der Opposition zustimmen, wird Yoon bis zu einem Urteil des Verfassungsgerichts suspendiert. Sollten die Richter grünes Licht geben, wird der Staatschef des Amtes enthoben. Innerhalb von 60 Tagen müssten dann Neuwahlen stattfinden. In einer am Donnerstag veröffentlichten Umfrage der Agentur Realmeter sprachen sich 73,6 Prozent der Befragten für ein Amtsenthebungsverfahren aus.
Unterdessen sagte PP-Chef Han Dong Hoon, er habe Yoon gebeten, die Partei zu verlassen. Seine Partei versuche nicht, "das verfassungswidrige Kriegsrecht des Präsidenten zu verteidigen", fügte er hinzu.
Yoons Büro verkündete indes, dass sich der Präsident am Donnerstag nicht öffentlich äußern werde. Seit seiner Fernsehansprache am frühen Mittwoch war er nicht mehr öffentlich in Erscheinung getreten.
Das Präsidialamt teilte allerdings mit, dass Verteidigungsminister Kim Yong Hun zurückgetreten sei. Der Präsident habe sein Rücktrittsgesuch angenommen und "seine Entlassung genehmigt", hieß es. Wie Yonhap berichtete, wurde Kim von der zuständigen Staatsanwaltschaft mit einem Ausreiseverbot belegt.
Abgeordnete befragten indes hochrangige Beamte, darunter den Generalstabschef der Armee, General Park An Su, zu den Geschehnissen rund um die Ausrufung des Kriegsrechts. Park sagte, er habe von dem Vorhaben nichts gewusst, bis der Präsident dieses live im Fernsehen verkündet habe.
Nach der Ausrufung des Kriegsrechts durch Yoon war das Parlament in Seoul abgeriegelt worden. Mehr als 280 Soldaten drangen in das Gebäude ein, Hubschrauber landeten auf dem Dach. Noch in der Nacht gelangten dennoch 190 Abgeordnete unter großem Einsatz in das Parlamentsgebäude. Sie votierten einstimmig für die Aufhebung des Kriegsrechts.
Die südkoreanische Verfassung sieht vor, dass das Kriegsrecht zurückgenommen wird, wenn eine Mehrheit im Parlament dies verlangt. Nach dem Votum hatte Yoon das Kriegsrecht wieder aufgehoben.
F. Schulze--BTZ