Feinstaubdebatte: Lungenmediziner räumt fehlerhafte Berechnungen ein
In der Debatte um die Feinstaubgrenzwerte hat der federführende Lungenarzt Dieter Köhler Rechen- und Zahlenfehler eingeräumt. Entsprechende Recherchen der "tageszeitung" bestätigte der Mediziner dem Blatt. Köhler hatte im Januar mit mehr als hundert weiteren Lungenexperten eine Stellungnahme verfasst, welche die geltenden Grenzwerte für Feinstaub und Stickoxid in Frage gestellt und deren Wissenschaftlichkeit angezweifelt hatte.
Es gebe derzeit "keine wissenschaftliche Begründung für die aktuellen Grenzwerte", argumentierte die Ärztegruppe in dem Papier. Sie forderte zugleich eine Neubewertung der bisherigen Studien.
Der "taz" zufolge räumte Initiator Köhler nun falsche Angaben in dem Dokument ein. Falsch ist dem Bericht zufolge zum eine seiner Berechnungen, mit der er die Stickstoffdioxidbelastung aus dem Straßenverkehr mit der durch das Rauchen vergleicht.
In der Stellungnahme heißt es, ein Raucher atme in wenigen Monaten die gleiche Stickoxidmenge ein wie ein 80-jähriger Nichtraucher, der sein Leben lang Außenluft im Grenzwertbereich einatme. Tatsächlich nimmt ein Raucher bei Stickstoffdioxid eine vergleichbare Menge erst in sechs bis 32 Jahren auf.
Auch eine Berechnung zur Feinstaubkonzentration ist demnach falsch. Köhler räumte zudem ein, dass der Ausgangswert seiner Rechnung weit überhöht sei. Als Grundlage für die Berechnung des Feinstaubgehalts der Zigaretten habe er Kondensatwert der Zigaretten genommen, den er mit zehn bis 25 Milligramm pro Zigarette angab.
Tatsächlich gilt seit 2004 in der EU ein Kondensatgrenzwert von zehn Milligramm pro Zigarette, der Durchschnittswert liegt darunter. "Die Vorgabe der EU kannte ich nicht", sagte Köhler.
Von seinen Äußerungen zu den Grenzwerten will der Lungenarzt und frühere Präsident der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie dennoch nicht abrücken. Die "Größenordnung" sei weiter richtig, sagte Köhler.
Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hatte als Konsequenz aus der Kritik der Lungenärzte an den Feinstaubgrenzwerten gefordert, dass deren Umsetzung hinterfragt und gegebenenfalls verändert werden müsse.
Zahlreiche Epedemiologen und Umweltmediziner wiesen dagegen darauf hin, dass Köhlers Argumentation nicht in Einklang mit dem Stand der Forschung stehe. Das Deutsche Zentrum für Lungenforschung äußerte am Donnerstag "große Besorgnis" angesichts der Debatte zum Gesundheitsrisiko von Luftschadstoffen.
"Es besteht wissenschaftlich kein Zweifel, dass die Belastung mit Luftschadstoffen eine Gesundheitsgefährdung für die Bevölkerung darstellt, nicht nur hinsichtlich Atemwegs- und Lungenerkrankungen, sondern beispielsweise auch im Hinblick auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen", erklärten die Experten in Gießen.
Zugleich verteidigte das Forschungszentrum den Grenzwert für Stickstoffdioxid von derzeit 40 Mikrogramm je Kubikmeter Luft. Es lägen "keinerlei belastbare neue Erkenntnisse vor, die dazu Anlass geben würden, diesen Richtwert gegenwärtig nach oben zu korrigieren".
(F. Schulze--BTZ)