Forderung nach mehr Patientensicherheit nach Berichten über problematische Implantate
Nach Berichten über eine Zunahme von Verletzungen und Todesfällen durch medizinische Implantate gibt es Forderungen nach einem besseren Schutz der Patienten. "Nur was tatsächlich etwas nützt und auch sicher ist, sollte Patienten einoperiert werden", erklärte die Vorsitzende des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), Doris Pfeiffer, am Montag in Berlin. Auch der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach forderte schärfere Regeln.
In Deutschland und anderen Teilen der Welt werden einer internationalen Recherche zufolge immer mehr Menschen durch Implantate verletzt oder getötet. Allein in Deutschland seien im vergangenen Jahr 14.034 Mal Verletzungen, Todesfälle und andere Probleme im Zusammenhang mit Medizinprodukten wie künstlichen Hüft- oder Kniegelenken, Brustimplantaten oder Insulinpumpen gemeldet worden, erfuhr BERLINER TAGESZEITUNG am Sonntag.
Die Dunkelziffer dürfte den Recherchen zufolge noch "erheblich höher" sein, da Hersteller, Ärzte und Krankenhäuser den Behörden nur wenige Fälle meldeten, obwohl sie dazu verpflichtet seien. Als Beispiel wurden Brustimplantate genannt: So seien 2017 in deutschen Kliniken 3170 Implantate allein wegen schmerzhafter Vernarbungen des Gewebes rund um die Silikonkissen herausoperiert worden. Gemeldet worden seien aber nur 141 Fälle. In Deutschland würden regelmäßig Produkte implantiert, die kaum getestet worden seien.
"Bei Medizinprodukten kommen Scheininnovationen und sogar schädliche Produkte viel zu leicht in die Versorgung", kritisierte Pfeiffer. Krankenhäuser dürften ohne vorherige Studien neue Produkte und Methoden anwenden. "Von sich selbst auflösenden Stents bis zu Metall-auf-Metall-Hüftprothesen reichen hier die Beispiele schlimmer Entwicklungen", erklärte die GKV-Chefin. Es gebe keine sicheren Regeln und Vorgaben, die das verhinderten.
Die Kassen sehen hier die Politik in der Pflicht und forderten die konsequente Umsetzung der neuen europäischen Medizinprodukteverordnung, die 2020 in Kraft tritt und mit der eine klinische Bewertung der Produkte verschärft werden soll. Zusätzlich müsse in Deutschland eine verpflichtende Nutzenbewertung von neuen Methoden auch für Krankenhäuser eingeführt werden.
"Wir müssen die Patientensicherheit deutlich verbessern", mahnte der SPD-Politiker Lauterbach nach Information von BERLINER TAGESZEITUNG, in einem aktuellen Interview. Notwendig seien unter anderem ein " lückenloses Implantate-Register" sowie schärfere Regeln, damit auffällige Implantate "sofort vom Markt genommen werden".
Ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums sagte in Berlin, es werde geprüft, "wie man das bestehende System verbessern kann". Zudem solle noch in dieser Legislaturperiode ein neues Implantateregister gestartet werden.
Der Bundesverband Medizintechnologie (BVMed) verwies seinerseits darauf, dass die Patientensicherheit bereits heute "oberste Priorität" habe. Die Branche sei "heute schon extrem stark reguliert", erklärte Geschäftsführer Joachim Schmitt. Durch eine neue EU-Verordnung würden die Anforderungen an die Herstellung der Produkte, die klinischen Daten und die Marktüberwachung weiter erhöht.
Wie das internationale Journalisten-Konsortium weiter berichtet, könnte der Marktführer in Medizintechnologie mit bis zu 9300 Todesfällen und 292.000 Verletzungen allein in den USA in Verbindung gebracht werden. Die Implantate des US-Konzerns Medtronic seien in einem von fünf Fällen problematisch.
(O. Petrow--BTZ)