Frankreich: Trauermarsch für Opfer der eingestürzten Häuser in Marseille
Nach den Hauseinstürzen in Marseille haben tausende Menschen der acht Todesopfer gedacht. Weitgehend schweigend marschierten sie am Samstag vom Unglücksort in der Nähe des alten Hafens zum Rathaus der Stadt, wo sie erneut eine einminütige Schweigeminute einlegten. In Sprechchören verlangten sie den Rücktritt von Bürgermeister Jean-Claude Gaudin, den sie für das Unglück verantwortlich machen. Gaudin nahm an dem Gedenkmarsch nicht teil.
"Gaudin, Mörder! Gaudin, Rücktritt", forderten die nach Angaben der Polizei rund 8000 Demonstranten vor dem Rathaus der südfranzösischen Hafenstadt. "Das ist keine Naturkatastrophe, das ist eine politische Katastrophe", rief einer der Nachbarn der eingestürzten Häuser. Ein anderer fürchtete, die Stadt könnte nun die Tragödie zum Anlass nehmen, die ärmeren Bewohner des Viertels aus der Stadt zu verbannen.
Die drei Häuser im Zentrum Marseilles waren am Montag eingestürzt. Zwei von ihnen waren so marode, dass sie leer standen. Eines der Gebäude war im Zuge der Rettungsarbeiten eingestürzt.
In Marseille leben nach einem Gutachten von 2015 rund 100.000 Menschen in Unterkünften, die ihre Gesundheit oder sogar ihre Sicherheit gefährden. Deshalb wächst seit dem Unglück der Druck auf Bürgermeister Gaudin, der seit 23 Jahren an der Stadtspitze steht. Der 79-jährige konservative Politiker weist jede Kritik zurück. Seine Verwaltung machte jüngste Unwetter für den Einsturz der alten Häuser verantwortlich. Derzeit laufen noch die Ermittlungen zu den genauen Einsturzursachen.
Seine Teilnahme an dem Trauermarsch hätte "Spannungen" hervorrufen können, sagte Gaudin am Sonntag dem Sender France Info. Er sei deshalb in seinem Büro geblieben.
Aus Sorge, im Zuge der Räumungsarbeiten könnten weitere Häuser einstürzen, hatte die Verwaltung in den vergangenen Tagen angeordnet, hunderte Einwohner aus dem betroffenen Altstadtviertel in Sicherheit zu bringen. 187 Familien, insgesamt 404 Menschen, wurden nach jüngsten Angaben auf Kosten der Stadt in Hotels untergebracht. Seit Mittwoch leitete die Stadt zudem 130 Verfahren gegen die Besitzer maroder Häuser ein, 30 mehr als im ganzen vergangenen Jahr.
Wie zur Unterstreichung der Kritik am Zustand vieler Häuser in Marseille stürzte nur wenige Meter vom Protestmarsch entfernt der Balkon eines Gebäudes teilweise ein. Drei Menschen wurden verletzt, darunter neben zwei Bewohnern des Hauses eine 24-jährige Passantin, die von einem herabstürzenden Mauerteil am Fuß getroffen wurde.
(S. Soerensen--BTZ)