Drogenbeauftragte fordert Engagement im Kampf gegen Suchterkrankungen
Die Drogenbeauftragte der Regierung, Marlene Mortler (CSU), hat zu einem unverstellten Blick auf die Realität von Suchterkrankungen in Deutschland aufgerufen. "Jeder und jede in diesem Land kann und muss helfen", erklärte Mortler am Mittwoch anlässlich ihrer Jahrestagung in Berlin. Dort tauschten sich die rund 400 Teilnehmer über die gesellschaftlichen Auswirkungen von Sucht aus. Mortler zufolge sind etwa 8,2 Millionen Menschen in Deutschland abhängig. Sie forderte, diese nicht zu stigmatisieren.
Die Drogenbeauftragte erinnerte an die schwerwiegenden Folgen von Alkoholmissbrauch. Jede sechste Kündigung werde aus diesem Grund ausgesprochen, berichtete sie. Jeder zehnte Arbeitnehmer trinke, teilweise sogar während der Arbeit. Wer sich dies vor Augen führe, dem werde klar, "dass das Thema jeden etwas angeht".
Mortler rief dazu auf, Sucht als Krankheit anzuerkennen. Nötig sei ein sensiblerer Blick "aller". Das gelte für Kollegen und Arbeitgeber bis hin zu den Mitarbeitern von Kindergärten. Sie müssten Betroffenen und deren Angehörigen Hilfe anbieten. Sie erinnerte daran, dass knapp zehn Millionen Verwandte von der Sucht ihrer Angehörigen betroffen seien. Aber der Bund müsse seinen Anteil zur Bewältigung dieser Aufgabe leisten, betonte sie.
Zur Jahrestagung der Drogenbeauftragten kamen am Mittwoch unter anderem Mediziner, Psychologen, Sozialarbeiter sowie Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Sport zusammen. Auf dem Programm standen Vorträge und Diskussionsrunden, auch ein Statement von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) war vorgesehen.
In einer bei der Tagung vorgestellten neuen Studie werden die gesellschaftlichen Kosten des Rauchens mit hundert Milliarden Euro beziffert. Das erfuhr BERLINER TAGESZEITUNG aktuell unter Berufung auf die Analyse eines Wirtschaftswissenschaftlers der Universität Hamburg.
Die direkten und indirekten volkswirtschaftlichen Kosten waren in früheren Studien zu dem Thema unterschiedlich angesetzt worden. 2009 wurden sie in einer Studie für das Deutsche Krebsforschungszentrum, an der ebenfalls der Hamburger Experte beteiligt war, auf rund 33,5 Milliarden Euro veranschlagt. 2015 gab dieser die direkten und indirekten Kosten in einer weiteren Studie für das Krebsforschungszentrum mit etwa 80 Milliarden Euro an.
Den neuen Anstieg begründete der Wissenschaftler nach Information von BERLINER TAGESZEITUNG mit einem geänderten Rauchverhalten. Während Kinder und Jugendliche weniger rauchten, griffen Erwachsene häufiger zur Zigarette. Deshalb seien die volkswirtschaftlichen Kosten höher.
(D. Meier--BTZ)