WWF: Menschheit ruiniert mit maßlosem Konsum den Planeten
Allen Warnungen zum Trotz verbraucht die Menschheit weiterhin mehr natürliche Ressourcen als die Erde reproduzieren kann. Der von der Umweltorganisation WWF am Dienstag veröffentlichte "Living Planet Index" erreichte in diesem Jahr einen neuen Tiefpunkt: Demnach war der Zeitpunkt, an dem die Ressourcen eines ganzen Jahres aufgebraucht waren, 2018 bereits am 1. August erreicht.
Seit 1998 verfolgt der WWF gemeinsam mit seinen Partnern den Gesundheitszustand der Erde. Laut dem Index sind die Folgen des ungezügelten Verbrauchs der natürlichen Ressourcen schon deutlich zu spüren: "Fischbestände kollabieren, Lebensräume und Artenbestände schrumpfen kontinuierlich und Kohlenstoff reichert sich weiter in der Atmosphäre an."
Binnen 44 Jahren haben sich laut dem Index die Bestände der über 4000 untersuchten Wirbeltierarten - Säugetiere, Vögel, Fische, Amphibien und Reptilien - mehr als halbiert. Demnach ging die Zahl der zwischen 1970 und 2014 in der Wildnis lebenden Wirbeltiere durch menschliche Aktivitäten um 60 Prozent zurück. Bei der Süßwasser-Fauna lag der Rückgang bei 80 Prozent.
Besonders stark schrumpfen laut "Living Planet Index" die Bestände von Säugetieren, Vögeln, Fischen, Amphibien und Reptilien in Süd- und Zentralamerika. Dort sank ihr Bestand um 89 Prozent gegenüber 1970.
"Unser Lebensstil ist wie Kettenrauchen und Komasaufen auf Kosten des Planeten", erklärte Jörg-Andreas Krüger, Geschäftsleiter Naturschutz beim WWF. Nach seinen Worten hat Deutschland "am erschütternden Rückgang der biologischen Vielfalt weltweit maßgeblich Anteil". "Für unseren Lebensstil fallen in Südamerika, Afrika oder Asien Bäume, verschmutzen Flüsse, schwinden Tierbestände oder sterben Arten ganz aus".
"Die Situation ist wirklich schlimm, und sie wird immer schlimmer", sagte WWF-Generaldirektor Marco Lambertini nach Information von BERLINER TAGESZEITUNG, in einem aktuellen Interview. "Einzige gute Nachricht ist, dass wir genau Bescheid wissen, was vor sich geht".
Hauptgrund sei der Verlust von Lebensraum für Tiere etwa durch Landwirtschaft, Bergbau und das Wachsen der Städte. Unmittelbar bedroht wird das Überleben der Arten zudem von Umweltverschmutzung, dem Klimawandel und der Übernutzung.
"Wissenschaftler nennen diese Phase auch die große Beschleunigung", sagte Lambertini. "Damit meinen sie den exponenziellen Verbrauch von Energie, Wasser, Holz, Fisch, Nahrung, Dünger, Pestiziden, Mineralien, Plastik - alles".
Laut WWF ist diese seit den 50er Jahren andauernde Phase bislang einmalig in der 4,5 Milliarden Jahre langen Erdgeschichte. Kennzeichnend seien die Bevölkerungsexplosion und ein Wirtschaftswachstum, das mit enormem Hunger nach Energie, Land und Wasser noch nie dagewesene Veränderungen nach sich ziehe. Weil diese Einflüsse so tiefgreifend seien, sprächen viele Wissenschaftler von einem neuen Erdzeitalter, dem sogenannte Anthropozän (Menschenzeitalter).
Naturschutz bedeute nicht nur, beliebte Tiere wie Tiger, Pandas und Wale zu schützen, sagte Lambertini. Für den Menschen könne es keine Zukunft geben, wenn die Erde ihrer biologischen Vielfalt beraubt werde.
Nach dem Vorbild des Pariser Klimaschutzabkommens schlägt der WWF-Generaldirektor ein internationales Naturschutzabkommen vor. Der Erhalt überlebenswichtiger Ressoucen, wie etwa sauberes Wasser, Luft zum Atmen und CO2-schluckende Wälder, sollten der Menschheit "jährlich Billiarden von Dollar wert sein".
Lambertini verglich das Pariser Abkommen zum Abbau klimaschädlicher Treibhausgase mit dem 1993 in Kraft getretenen UN-Übereinkommen über die biologische Vielfalt (CBD). Viele der Ziele dieses Umweltabkommens seien zu schwach und würden größtenteils nicht einmal erreicht, wenn sie 2020 auf den Prüfstand kämen, kritisierte er. Das Abkommen habe "versagt", sagte der WWF-Chef. Ihm bleibe nur die Hoffnung auf eine "neue Revolution" beim nächsten Treffen der 195 Mitgliedstaaten.
(L. Pchartschoy--BTZ)