EU-Wahljahr: EU-Kommission für nun Abschaffung der Zeitumstellung
Nach jahrelangen Diskussionen könnte die Umstellung zwischen Winter- und Sommerzeit nun tatsächlich fallen: EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker kündigte am Freitag an, den Mitgliedstaaten und dem Europaparlament eine Abschaffung der Zeitumstellung zu empfehlen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) schloss sich der Forderung umgehend an. Auch von der spanischen Regierung kam Zustimmung. Mehrere nordeuropäische Länder sprechen sich schon seit Jahren für ein Ende des halbjährlichen Uhrenverstellens aus.
Die EU-Kommission werde eine Empfehlung für die Abschaffung der Zeitumstellung beschließen, sagte Juncker im ZDF. Er verwies auf das Ergebnis einer europaweiten, nicht-repräsentativen Online-Befragung, bei der sich 84 Prozent der Teilnehmer gegen die Zeitumstellung ausgesprochen hatten. Es ergebe "keinen Sinn, Menschen zu fragen, was sie denken", und dies dann nicht umzusetzen, sagte Juncker.
"Die Botschaft ist sehr klar", sagte EU-Verkehrsministerin Violetta Bulc. Die Kommission werde EU-Parlament und Europäischem Rat daher eine Gesetzesvorlage zur Abschaffung der Zeitumstellung vorlegen. In Kraft treten könnte die Regelung in zwei oder drei Jahren. Ob sie komplett auf die Sommerzeit oder Winterzeit umsteigen, sollen die Mitgliedsstaaten nach Angaben eines Kommissionssprechers selbst entscheiden. Dabei werde erwartet, dass diese sich auf eine einheitliche Lösung einigten.
Merkel sagte während eines Besuchs in Nigeria, auch für sie habe ein Ende der Zeitumstellung "eine sehr hohe Priorität". Sie freue sich, dass die EU-Kommission das Ergebnis der europaweiten Umfrage zu dem Thema ernst nehme. Nun "sollte etwas daraus folgen", forderte die Kanzlerin.
"Wir sind einverstanden mit dem von Herrn Juncker gemachten Vorschlag", sagte eine Sprecherin der spanischen Regierung. Mehrere Länder in Nordeuropa wie Litauen, Finnland und Schweden fordern schon seit Jahren ein Ende der Zeitumstellung.
Aus dem populistisch regierten Italien kam dagegen Kritik - allerdings nicht an dem Vorschlag selbst, sondern daran, dass die EU sich überhaupt mit dem Thema beschäftigt. "Mir fehlen die Worte - die Italiener zahlen Milliarden, damit die Zeiger einer Uhr verstellt werden", schrieb Innenminister Matteo Salvini im Kurzmitteilungsdienst Twitter. "Wir werden uns dem Thema der Abschaffung der Sommerzeit ernsthaft zuwenden - aber nur, wenn die EU sich um die wichtigeren Herausforderungen kümmert", kommentierte der Europaabgeordnete Ignazio Corrao.
Das Europaparlament hatte im Februar von der Kommission eine Überprüfung der Zeitumstellung gefordert. Die Kommission befragte die EU-Bürger vom 4. Juli bis 16. August in einer nicht-repräsentativen Online-Umfrage. Nach vorläufigen Ergebnissen sprachen sich 84 Prozent der rund 4,6 Millionen Teilnehmer für die Abschaffung der Zeitumstellung aus. 76 Prozent der Befragten sagten, das Umstellen der Uhren sei für sie eine "sehr negative" oder "negative" Sache.
Auf ein besonders hohes Interesses stieß die Befragung in Deutschland, 3,79 Prozent der Bundesbürger nahmen teil. Am niedrigsten war die Teilnahme mit 0,02 Prozent in Großbritannien.
Der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber lobte, die EU-Kommission habe "die Zeichen der Zeit nun erkannt". Der verkehrspolitische Sprecher der Grünen im EU-Parlament, Michael Cramer, erklärte, seine Fraktion unterstütze Junckers Vorhaben. "Die Zeitumstellung nutzt weder Mensch noch Natur, nervt viele und gehört deshalb schnellstmöglich abgeschafft."
Der Vize-Chef der FDP-Bundestagsfraktion, Michael Theurer, begrüßte das Vorhaben auch aus wirtschaftlichen Erwägungen. Allerdings sei es wichtig, dass "kein Flickenteppich entsteht", sagte er nach Information von BERLINER TAGESZEITUNG, in einem aktuellen Interview.
(O. Petrow--BTZ)