Menschenrechtsgericht weist Beschwerde der Sedlmayr-Mörder ab
28 Jahre nach dem spektakulären Mord an dem beliebten bayerischen Volksschauspieler Walter Sedlmayr im Juli 1990 haben die Täter vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) eine Niederlage erlitten. Die Straßburger Richter wiesen am Donnerstag eine Beschwerde der beiden verurteilten Halbbrüder M.L. und W.W. gegen die weitere Nennung ihrer vollen Namen in Onlinearchiven von Medien ab. Die Kläger, die ihre Strafen mittlerweile verbüßten, sahen darin eine Verletzung ihrer Persönlichkeitsrechte.
Der Straßburger Gerichtshof räumte ein, die fraglichen Veröffentlichungen hätten das Recht der Kläger auf Schutz ihres Privatlebens eingeschränkt. Als Personen der Zeitgeschichte müssten sie das aber hinnehmen. Die Kläger seien keine "einfachen, in der Öffentlichkeit unbekannten Privatleute".
Vielmehr hätten sie durch den Prozess und auch ihre wiederholten Anträge auf Wiederaufnahme des Verfahrens eine gewisse Bekanntheit erreicht, hieß es weiter. Dazu hätten die Kläger auch selbst beigetragen, indem sie sich wiederholt an die Presse gewandt hätten.
Sedlmayr war am 14. Juli 1990 in seiner Münchner Wohnung brutal ermordet worden. Die Täter hatten den homosexuellen 64-Jährigen gefesselt, gefoltert und dann mit Stichen in den Hals und Hammerschlägen auf den Kopf getötet. Die Tat wurde so als Mord aus dem Strichermilieu dargestellt. Dennoch richtete sich der Verdacht rasch auf den Ziehsohn des Schauspielers und dessen Halbbruder. Die beiden Männer, die bis heute ihre Unschuld beteuern, wurden 1993 nach einem aufsehenerregenden Indizienprozess schuldig gesprochen und zu lebenslanger Haft verurteilt. Einer der Täter wurde im August 2007 aus der Haft entlassen, der zweite im Januar 2008.
Ab 2007 leiteten die Halbbrüder juristische Schritte gegen Medien ein, in deren Onlinearchiven ihre vollständigen Namen weiterhin zu lesen waren. Die Kläger wollten erreichen, dass die Medien ihre Namen sowie Fotos von ihnen aus den Archiven entfernten. Sie machten geltend, die Veröffentlichungen verletzten nicht nur ihre Persönlichkeitsrechte, sondern schränkten zudem ihr Recht auf Resozialisierung ein. In Deutschland zogen sie bis vor den Bundesgerichtshof, der ihre Klagen im Dezember 2009 abwies.
Straftäter hätten keinen generellen Anspruch darauf, dass ihre Namen später aus im Internet zugänglichen Onlinearchiven gelöscht werden, entschieden die Karlsruher Richter (Az: VI ZR 227/08 und 228/08). Das Interesse der Öffentlichkeit, auch zeitgeschichtliche Ereignisse recherchieren zu können, stehe über den Belangen der verurteilten Täter. Diese müssten einen gewissen Eingriff in ihr Recht auf Wiedereingliederung in die Gesellschaft hinnehmen. Im übrigen handle es sich bei den beanstandeten Veröffentlichungen "um sachliche Beiträge ohne Prangerwirkung".
Dieser Auffassung schloss sich der EGMR nun an. Die deutsche Justiz habe angemessen zwischen dem Recht auf Schutz des Privatlebens und dem Recht auf Pressefreiheit abgewogen. Dazu gehöre auch das Recht der Öffentlichkeit, sich über Ereignisse der Zeitgeschichte zu informieren.
Das Urteil wurde von den sieben Richtern einer kleinen Kammer einstimmig gefällt. Die Beschwerdeführer können binnen drei Monaten Rechtsmittel dagegen einlegen. Der Gerichtshof kann den Fall dann zur Überprüfung an die 17 Richter seiner großen Kammer verweisen - er muss dies aber nicht tun.
(F. Burkhard--BTZ)