Barmer: Mehr Zahnarztbesuche in Pflegeheimen - aber nicht mehr Therapien
Um die Mundgesundheit vieler Pflegeheimbewohner ist es nicht zum Besten bestellt: Zwar gehen Zahnärzte inzwischen häufiger zu Patientenbesuchen in die Altenheime, zusätzliche Therapien wie Reparaturen an Zahnprothesen sind damit allerdings nicht verbunden, wie aus dem am Donnerstag veröffentlichten Zahnreport der Barmer hervorgeht. Die vor einigen Jahren eingeführten Neuregelungen bei den Abrechnungen hätten bisher "nicht den gewünschten Effekt" gebracht, kritisierte die Krankenkasse.
Seit den Jahren 2013 und 2014 können Zahnärzte den Besuch bei Heimbewohnern höher abrechnen. Dadurch soll die Versorgung Pflegebedürftiger verbessert werden. Laut der Deutschen Mundgesundheitsstudie von 2016 leiden 64 Prozent der Pflegeheimbewohner unter Zahnfleischbluten und -entzündungen. Zudem sind 50 Prozent der Pflegebedürftigen in Heimen völlig zahnlos und damit deutlich mehr als bei Gleichaltrigen, die nicht in Pflegeheimen wohnen.
Die Reform für bessere Zähne im Pflegeheim sei "sicherlich gut gemeint" gewesen, verfehle aber bislang ihr Ziel, erklärte Barmer-Chef Christoph Straub. Zwar würden mehr Altenheimbewohner durch den Zahnarzt erreicht, und es gebe vermutlich auch Verbesserungen bei der Prävention - "definitiv aber nicht bei der Therapie".
Bei mehr als zwei Dritteln der Zahnarztbesuche erfolgte demnach am selben Tag keine therapeutische Leistung. Bei mehr als der Hälfte sei dies auch innerhalb der folgenden 90 Tage nicht der Fall. Dem Report zufolge wurden die neuen Leistungsziffern im Jahr 2016 hochgerechnet auf alle gesetzlichen Kassen 1,9 Millionen Mal abgerechnet. Doch nicht einmal einfache Therapieleistungen wie kleinere Reparaturen an Zahnprothesen hätten zugenommen, obwohl die Kassen 2016 bundesweit mehr als 55 Millionen Euro für die neuen Leistungsziffern ausgaben.
Das Ausbleiben von Therapien begründeten im Rahmen der Studie befragte Pflegeheimbetreiber und Zahnärzte vor allem mit der fehlenden zahnärztlichen Ausstattung im Heim und mit dem bürokratischen Aufwand rund um den Krankentransport zum Zahnarzt. Zudem würden sich manche Betroffene weigern, zum Zahnarzt zu gehen.
Um den Besuch von Pflegeheimbewohnern beim Zahnarzt nicht unnötig zu erschweren, forderte Straub, die Antragsverfahren für die Kostenübernahme von Krankenfahrten zu vereinfachen. Entsprechende Pläne gebe es bereits bei den Kassen und der Kassenzahnärztlichen sowie Kassenärztlichen Bundesvereinigung.
Die Zahnärzteschaft forderte ihrerseits von den Krankenkassen mehr Unterstützung bei der Betreuung von alten und pflegebedürftigen Menschen. Alte, chronisch Kranke und behinderte Menschen würden von den Kassen "systematisch benachteiligt" und erhielten schlechtere Leistungen, kritisierte Wolfgang Eßer, Chef der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung. Die Bundeszahnärztekammer forderte, die Mundhygiene für Pflegebedürftige auch in der Ausbildung der Pflegekräfte stärker zu vermitteln.
Wie der Zahnreport weiter zeigt, brauchten 2016 im Durchschnitt 71,5 Prozent aller Versicherten mindestens einmal einen Zahnarzt. Während nur 67,6 Prozent der Männer zum Zahnarzt gingen, waren es bei den Frauen mit 75,4 Prozent deutlich mehr. Auch regional gibt es Unterschiede. Während in Sachsen und Thüringen rund 77 Prozent den Zahnarzt in Anspruch nahmen, waren es im Saarland nur knapp mehr als 65 Prozent.
Die BARMER selbst, steht als Krankenkasse seit längerem massiv in der Kritik, hier unter anderem wegen fragwürdiger Ablehnungen von Hilfsleistungen für ein behindertes Kind, worüber BERLINER TAGESZEITUNG berichtete: http://www.BerlinerTageszeitung.de/politik/5651-barmer-in-der-kritik.html
(M. Taylor--BTZ)