Autokonzerne spüren zusehends den Materialmangel
Die Autohersteller in Europa bekommen den Materialmangel zusehends zu spüren - und besonders die Engpässe bei der Versorgung mit Halbleitern werden noch andauern. Der US-europäische Konzern Stellantis und der Premiumhersteller BMW berichteten am Dienstag von Produktionskürzungen. Umsätze und Gewinne im ersten Halbjahr stiegen aber im Vergleich zum von der Corona-Krise gezeichneten Vorjahreszeitraum kräftig.
Vier von fünf Autoherstellern und Zulieferern (83,4 Prozent) gaben im Juli bei einer Umfrage des Ifo-Instituts in München an, sie litten unter einem Mangel an Vorprodukten. Im April waren es knapp 65 Prozent gewesen. Es fehlt vor allem an Computerchips.
Stellantis, der Zusammenschluss zwischen den Herstellern Peugeot-Citroën und Fiat Chrysler, musste die Produktion wegen des Chipmangels in den sechs Monaten von Januar bis Ende Juni um 700.000 Autos kürzen. Im laufenden dritten Quartal würden deswegen 500.000 Autos weniger vom Band laufen, sagte Finanzchef Richard Palmer. Er zeigte sich aber zuversichtlich, dass der Chipmangel nicht noch schlimmer wird.
Auch BMW-Finanzchef Nicolas Peter erklärte, das Unternehmen gehe davon aus, "dass sich weder die Corona-Pandemie noch die Halbleiter-Versorgungssituation deutlich verschärfen und die Preisentwicklung an den internationalen Rohstoffmärkten stabil bleibt". BMW habe "dank des hohen Einsatzes unserer Mitarbeiter in Einkauf, Produktion und Vertrieb die Herausforderungen bei der Halbleiter-Versorgung in den ersten sechs Monaten weitgehend kompensieren" können. Das Unternehmen rechnet aber im zweiten Halbjahr mit Produktionseinschränkungen - mit Auswirkungen auf den Fahrzeugabsatz.
Im ersten Halbjahr lieferte BMW mit den Marken BMW, Mini und Rolls-Royce fast 40 Prozent mehr Autos aus als im Vergleichszeitraum 2020, insgesamt 1,34 Millionen Fahrzeuge. Der Umsatz stieg um 28 Prozent auf 55,4 Milliarden Euro, der Nettogewinn auf 7,6 Milliarden Euro - 2020 hatte BMW im ersten Halbjahr 362 Millionen Euro Gewinn gemacht.
Stellantis steigerte den Umsatz um 46 Prozent auf 75,3 Milliarden Euro und den Gewinn auf 5,9 Milliarden Euro - im Vergleichszeitraum 2020 hatte ein Minus von 800 Millionen Euro gestanden. Finanzchef Palmer zeigte sich insbesondere zufrieden mit einer "Rekordmarge" - die Gewinnspanne lag demnach bei 11,4 Prozent.
Im Juli liefen die Geschäfte der deutschen Autohersteller und ihrer Zulieferer weiterhin hervorragend, wie die Ifo-Umfrage ergab. Der Indikator zur Geschäftslage stieg von 44,9 Punkten im Juni auf 56,8 Punkte im Juli - den besten Wert seit 2018. Auch die Erwartungen stiegen.
"Die Nachfrage in Asien und den USA ist weiter sehr stark, das Vorkrisenniveau ist in Reichweite", erläuterte Oliver Falck, Leiter des Ifo Zentrums für Industrieökonomik und neue Technologien. "In Europa sind wir hingegen ein ganzes Stück davon entfernt."
Die Autoindustrie setzt ganz auf den Elektroantrieb. Stellantis-Chef Carlos Tavares kündigte an, der Konzern werde in den kommenden 24 Monaten "mit Hochgeschwindigkeit" elf vollelektrische Modelle sowie zehn Plug-in-Hybride auf den Markt bringen. Stellantis hatte Anfang Juli angekündigt, dass die Tochter Opel in Europa schon ab 2028 vollständig elektrisch werden soll.
BMW-Chef Oliver Zipse sagte in einer Telefonkonferenz, BMW setze zu 100 Prozent auf batterie-elektrische Antriebe - "wo der Einsatz sinnvoll und möglich ist". Die Durchdringung der Märkte mit E-Mobilität sei "längst kein Thema mehr von Seiten des Fahrzeugangebots", fügte er hinzu. Sie hänge vielmehr davon ab, wie schnell die Ladeinfrastruktur ausgebaut werde.
(A. Walsh--BTZ)