Japan: Medien und Ghosn - Flucht eines politischen Häftlings?
Die Flucht des früheren Renault-Nissan-Chefs Carlos Ghosn aus Japan ist in japanischen Medien scharf kritisiert worden. Unter anderem die Zeitung "Yomiuri Shimbun" warf dem wegen Finanzdelikten von der Justiz verfolgten Ex-Manager Feigheit vor. Durch seine Ausreise in den Libanon habe er "die Möglichkeit aufgegeben, seine Unschuld zu beweisen und seine Ehre zu verteidigen", schrieb die Zeitung am Mittwoch.
Mehrere Medien werteten Ghosns Flucht als Verhöhnung der Justiz Japans. Die liberale Zeitung "Tokyo Shimbun" schrieb, mit seiner Ausreise verstoße Ghosn gegen seine Kautionsauflagen und "verspottet das japanische Justizsystem". Es sei sehr wahrscheinlich, dass der Prozess gegen ihn nun nicht stattfinden werde. Seine Behauptung, dass er vor Gericht seine Unschuld beweisen wolle, stehe damit in Frage.
Einige Medien übten zudem Kritik an der japanischen Justiz: Die Entscheidung des Gerichts, den früheren Top-Manager gegen Kaution auf freien Fuß zu lassen, erscheine nun unklug. Die Zeitung "Mainichi Shimbun" zitierte einen führenden Staatsanwalt mit den Worten, nun sei eingetreten, was die Staatsanwaltschaft vorhergesagt habe. Deren "sorgfältige Arbeit", Beweise in Japan und im Ausland gegen Ghosn zu sammeln, sei damit ruiniert.
Ein ehemaliger Nissan-Manager zeigte sich in der Zeitung "Asahi Shimbun" enttäuscht über Ghosns Schritt. "Der Unternehmer, der Nissan so viele Jahre leitete und international bekannt war, stellt sich als diese Art von Mensch heraus. Mir ist die Kinnlade heruntergefallen. Mir fehlen die Worte", zitierte die Zeitung den Ex-Manager.
Am Montag war bekannt geworden, dass der 65-jährige Ghosn sich in den Libanon abgesetzt hat. Er erklärte in einem schriftlichen Statement, dass er vor der "Ungerechtigkeit und politischer Verfolgung" in Japan geflüchtet sei. Er werde nun nicht mehr von dem "manipulierten japanischen Justizsystem als Geisel gehalten".
Gegen Ghosn wird in Japan wegen Vorwürfen des finanziellen Fehlverhaltens ermittelt. Er saß rund vier Monate in Haft, war aber im Frühjahr unter strikten Auflagen aus der Haft entlassen worden. Für das kommende Frühjahr war der Beginn seines Prozesses in Japan angesetzt. (F. Burkhard--BTZ)