Verkehrsgerichtstag ruft EU-Kommission zur Prüfung von Stickoxid-Grenzwert auf
Angesichts der jüngsten Diskussionen um Stickoxid-Grenzwerte und Dieselfahrverbote hat der Deutsche Verkehrsgerichtstag die EU-Kommission zur Überprüfung aufgerufen. Da der Grenzwert derzeit in Frage gestellt werde, sollte dieser "zeitnah" auf seine "wissenschaftliche Fundiertheit und Belastbarkeit" hin analysiert werden, hieß es in den am Freitag zum Abschluss der Expertentagung vorlegten Empfehlungen.
Fahrverbote griffen in Grundrechte ein und dürften daher nur auf der Grundlage eines wissenschaftlich fundierten Grenzwertes als "letztes Mittel" angeordnet werden, erklärte der für dieses Thema zuständige Arbeitskreis. Er forderte die Politik zudem auf, ein "Gesamtkonzept" zur Senkung der Belastungen mit "relevanten Schadstoffen" vorzulegen.
Die Fachleute sprachen sich ferner für eine schnelle Nachrüstung von Dieseln mit Nachrüstsystemen zur Abgasreinigung aus, um die Grenzwerte für Stickoxid einzuhalten. Dazu solle es auch "staatliche Anreize" gegen. Die Industrie müsse sich an den Kosten beteiligen, betonten sie. In vielen deutschen Städten werden die auf EU-Ebene festgelegten gesetzlich geltenden Stickoxid-Grenzwerte überschritten. Deshalb drohen Fahrverbote für Diesel, in einigen Städten sind sie auf einzelnen Straßen schon in Kraft. Das sorgt für große Kontroversen.
Ein Vorstoß von etwa 100 Ärzten hatte in den vergangenen Tagen für weitere Unruhe gesorgt. Diese stellten die Wissenschaftlichkeit der geltenden Grenzwerte für Stickoxid und Feinstaub in Frage. Die Ein Einschätzung der Mediziner-Gruppe ist zwar stark umstritten, löste aber zugleich erhebliche neue öffentliche Debatten zu dem Thema aus.
Auf dem Verkehrgerichtstag beraten Fachleute aus Verwaltung, Politik, Justiz, Wirtschaft und Wissenschaft jedes Jahr über aktuelle Fragen der Verkehrs- und Rechtspolitik. Die Empfehlungen der Experten werden viel beachtet und stoßen oft Reformdebatten an.
Die Konferenz sprach sich darüber hinaus für den Einsatz sogenannter Alkolocks in Autos von Alkoholsündern aus. Derartige Systeme, die das Losfahren in betrunkenem Zustand durch Messungen der Atemluft des Fahrers verhindern sollen, kämen als Alternative zu Fahrverboten oder einem Führerscheinentzug in Betracht, erklärte der dafür zuständige Arbeitskreis. Er empfahl einen Modellversuch zur Erprobung der Technik.
An diesem sollten Fahrer teilnehmen, die erstmalig im strafrechtlich relevanten Bereich mit einem Promillewert von bis zu 1,69 auffielen. Die Fachleute forderten außerdem, den Einbau von Alkolocks in allen gewerblich genutzten Bussen und Lastwagen zwecks Unfallvermeidung europaweit vorzuschreiben sowie bereits heute "Anreizsysteme" für einen freiwilligen Einbau der Technik zu schaffen.