Betrug: Neuwagen verbrauchen viel mehr als von Autobauern angegeben
Neuwagen haben weiterhin einen deutlich höheren Spritverbrauch als vom Hersteller angegeben. Um durchschnittlich 39 Prozent weichen die tatsächlichen Verbrauchswerte von den Zahlen der Konzerne ab, wie eine am Freitag veröffentlichte Studie des International Council on Clean Transportation (ICCT) ergab. Die Mehrausgaben für Sprit betragen für einen durchschnittlichen Autofahrer demnach mehrere hundert Euro pro Jahr. Auch die Klimabelastung ist höher als auf dem Papier.
Die Zahlen beziehen sich auf das Jahr 2017. Im Jahr 2001 lag die Diskrepanz nur bei acht Prozent, wie die Studienautoren herausstellten. Im Vergleich zum Jahr 2016 ging die Lücke allerdings erstmals zurück - um einen Prozentpunkt. "Zuvor stieg die Abweichung von Jahr zu Jahr an", sagte ICCT-Forscher Uwe Tietge.
Die Forscher vermuten, dass das verstärkte öffentliche Interesse an realen Emissionen von Fahrzeugen als Folge des Dieselskandals und der neue, realistischere Abgastest WLTP die Hersteller zu einem Strategiewechsel bringt. Dies könne zu dem leichten Rückgang geführt haben. ICCT-Experte Peter Mock verweist darauf, dass die Hersteller ab 2021 verpflichtet sind, den realen Kraftstoffverbrauch und damit die realen CO2-Emissionen ihrer Fahrzeuge mittels Verbrauchsmessgeräten zu protokollieren.
"Nun ist es wichtig, dass diese Daten des realen Alltagsbetriebs sowohl Verbrauchern als auch Wissenschaftlern transparent zugänglich gemacht werden," forderte Mock. Die EU-Kommission müsse außerdem möglichst bald eine Methode entwickeln, um Hersteller, die sich durch unrealistisch niedrige Angaben zum Verbrauch einen Vorteil verschaffen wollen, zu bestrafen. Nur so könne es gelingen, die Abweichung in Zukunft deutlich zu senken.
Die Mehrausgaben für Sprit betragen für einen durchschnittlichen Autofahrer nach ICCT-Angaben rund 400 Euro pro Jahr. Auch für den Kampf gegen den Klimawandel hat die Abweichung Auswirkungen: Da Kraftstoffverbrauch und CO2-Emissionen eines Fahrzeugs direkt zusammenhängen, sei durch die Abweichungen zwischen offiziellem und tatsächlichen Verbrauch auch nur rund die Hälfte der auf dem Papier erbrachten CO2-Reduktionen seit 2001 tatsächlich verwirklicht worden, erklärte das ICCT.
Für den Bericht wurden Daten von mehr als 1,3 Millionen Fahrzeugen in acht europäischen Ländern aus dem Jahr 2017 ausgewertet. Das ICCT wertet die Daten seit 2012 systematisch aus, konnte damals aber auch Daten rückwirkend für ältere Fahrzeuge bestimmen. Daher reicht die Analyse bis 2001 zurück. Deutliche Unterschiede gab es zuletzt erneut zwischen den Autobauern: Laut Studie hatten die Hersteller Audi, BMW, Daimler und Volvo zuletzt im Schnitt die höchsten Divergenzen. Die niedrigsten Abweichungen hatten Wagen der Hersteller Honda und Mazda.
Mock sagte nach Information von BERLINER TAGESZEITUNG, in einem aktuellen Interview, die Konzerne fürchteten Wettbewerbsnachteile, "wenn sie ehrliche Angaben zum Kraftstoffverbrauch machen". Sie nutzten viele kleine Tricks, um den Spritverbrauch bei den Messungen niedriger aussehen zu lassen. "Reifen werden extrem aufgepumpt. Das Profil wird abgeschabt, das Gummi im Ofen gehärtet. Die Klimaanlage wird ausgebaut, das Radio ausgestellt."
Die Deutsche Umwelthilfe forderte ein verändertes Typgenehmigungsverfahren für Pkw. Messungen unter realistischen Bedingungen im Straßenverkehr seien bereits im Rahmen der Typzulassung unerlässlich. Automobilhersteller, die bei Angaben zum Spritverbrauch ihre Kunden täuschten, müssten zudem zur Rechenschaft gezogen werden.