BGH erlaubt Dashcamvideos als Beweismittel nach Verkehrsunfall
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Verwendung von kurzen Dashcamaufnahmen als Beweismittel vor Gericht zur Klärung von Verkehrsunfällen für zulässig erklärt. "Dashcams dürfen bei Verkehrsunfällen als Beweismittel verwertet werden", entschied der BGH am Dienstag in Karlsruhe. Die Aufnahmen der kleinen Kameras verstießen zwar gegen das Datenschutzrecht der Gefilmten und seien somit verboten. Kurze Unfallaufzeichnungen seien aber gleichwohl verwertbar, weil Unfallbeteiligte ohnehin Angaben zu Person, Versicherung und Führerschein machen müssten. (Az. VI ZR 233/17)
Im Streitfall waren zwei Autofahrer in Magdeburg beim Linksabbiegen auf zwei nebeneinander verlaufenden Abbiegespuren seitlich zusammengestoßen. Auf der linken Spur fuhr ein Wagen mit Dashcam und auf der Spur daneben das andere Auto. Bei der Kollision gab es einige Kratzer und Dellen, der Schaden lag bei 1730 Euro.
Der Fahrer des Wagens mit Dashcam wollte mit den Aufnahmen seiner kleinen Videokamera beweisen, dass der Unfallgegner seine Spur verlassen und ihn aufgefahren hatte. Das Landgericht Magdeburg ließ die Bilder aber wegen Verstoßes gegen das Datenschutzrecht nicht als Beweismittel zu.
Der BGH hob diese Entscheidung nun auf und erklärte Aufnahmen von Dashcams in solchen Fällen für verwertbar. Es bleibe zwar dabei, das dauerhaftes Filmen des öffentlichen Verkehrs weiterhin gegen den Datenschutz verstoße und als Ordnungswidrigkeit oder gar Straftat verfolgt werden könne.
Dieser Verstoß führt laut BGH aber in Zivilprozessen zu Verkehrsunfällen nicht ohne Weiteres zu einem Beweisverwertungsverbot von "kurzen, anlassbezogenen Aufzeichnungen". Begründung: Eine "wirksame Rechtspflege" habe in solchen Fällen Vorrang vor dem Datenschutz des Unfallgegners. Zudem bewegten sich die Gefilmten freiwillig im öffentlichen Straßenraum und müssten bei Unfällen Angaben zu ihrer Person, ihrem Auto, zur Versicherung und zum Unfallhergang machen. Insoweit wiege der Eingriff in ihr Persönlichkeitsrecht, wie etwa Aufnahmen von ihrem Autokennzeichen, weniger schwer.
Das Urteil führt dem Klägervertreter Volkert Vorwerk zufolge die Dashcamnutzer gleichwohl in schwierige Situationen: Bei einem Verkehrsunfall könnte etwa der Unfallgegner die Polizei auf die Kamera in dem anderen Auto hinweisen. Dessen Besitzer könnte die Aufnahmen dann zwar vor Gericht verwenden, wenn er sich im Recht glaubt, müsste aber wegen Verstoßes gegen das Datenschutzrecht eine Geldbuße befürchten, falls die Kamera im Dauerbetrieb lief.
Sollte der Besitzer der Dashcam eindeutig an dem Unfall schuld sein, könnte der Unfallgegner die Polizei zudem um die sofortige Sicherung der Aufnahmen bitten. Dann wäre der Besitzer der Kamera für deren Einsatz doppelt bestraft. Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) begrüßte das Urteil. Es führe zu mehr Rechtssicherheit, erklärte Gewerkschaftschef Rainer Wendt. Die Kameras könnten auch zum Nachweis von Verkehrsstraftaten wie Nötigungen durch Drängler dienen, für die es bislang "allein das brüchige Beweismittel der Aussage des Genötigten" gebe.
Der netzpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion,Konstantin von Notz, sagte nach Information von BERLINER TAGESZEITUNG, immer kostengünstigere moderne Technik dürfe nicht "zu einer faktischen Totalüberwachung des öffentlichen Raums führen. "Datenschutz ist eben nicht der reine Schutz von Daten, sondern der Schutz unserer Privatheit."
Der Automobilclub ACV warb für einen standardisierten Aufnahmemodus: Er solle die Auslesbarkeit der Daten erst durch eine gerichtliche Anordnung ermöglichen, erklärte AVC-Sprecher Jürgen Koglin. Nach Angaben des Branchenverbands Bitkom wurden in den vergangenen drei Jahren rund 150.000 Dashcams in Deutschland verkauft.