BGH begrenzt Pflicht von Geschädigten nach Verkehrsunfall
Nach einem Verkehrsunfall müssen Geschädigte nicht ständig neu versuchen, ihre Arbeitsfähigkeit wiederherzustellen. Ihre Pflicht zur Schadensminderung umfasst nur aussichtsreiche medizinische Behandlungen, die dann auch realistische Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt eröffnen, wie der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe in einem am Dienstag veröffentlichten Urteil entschied. (Az: VI ZR 91/19)
Danach hat ein gelernter Bürokaufmann aus Schleswig-Holstein gute Chancen auf mehr Geld. Bei einer Motorradfahrt im August 2004 wurde er Opfer eines Unfalls mit einem Auto. Er erlitt mehrere Brüche sowie Prellungen und Quetschungen am gesamten rechten Bein. Erst im Juni 2005 konnte er seine Arbeit als Verwaltungsfachangestellter beim Land Schleswig-Holstein wieder aufnehmen. 2007 entwickelten sich aber depressive Störungen mit psychosomatischen Beschwerden.
Die Versicherung des Unfallgegners gestand ihre Zahlungspflicht grundsätzlich zu. Auch dass die depressiven Störungen auf den Unfall zurückgehen, bestritt sie nicht. Sie warf dem Mann aber vor, dass er sich ab 2013 keiner psychologischen oder psychiatrischen Behandlung mehr unterzogen hatte.
Das Oberlandesgericht (OLG) Schleswig gab dem Mann daher eine Mitschuld an seiner dauerhaften Arbeitsunfähigkeit. Den von ihm begehrten Ersatz des Verdienstunfalls kürzte es daher zunächst auf die Hälfte und ab 2016 auf nur noch ein Viertel.
Dieses Urteil hob der BGH nun auf. Nach einem Unfall müsse sich der Geschädigte zwar bemühen, den Schaden gering zu halten. Grundsätzlich gehörten dazu auch alle zumutbaren Bemühungen, die Arbeitsfähigkeit wieder herzustellen. Doch unbegrenzt sei diese Pflicht nicht. Voraussetzung für medizinische Behandlungen sei, dass diese auch eine Verbesserung der Arbeitsfähigkeit erwarten lassen. Zudem müsse danach auch eine realistische Beschäftigungsaussicht bestehen.
Hier habe zwar ein Sachverständiger Behandlungschancen gesehen, ohne aber auf die danach bestehenden Arbeitsperspektiven einzugehen. Zudem hätten die Ärzte des Mannes zuletzt keine Behandlungserfolge mehr erwartet. Dies gelte auch für die Rentenversicherung, die daher zuletzt eine unbefristete Erwerbsminderungsrente bewilligt habe.
Daher verwies der BGH den Streit an das OLG Schleswig zurück. Dieses müsse diese Widersprüche noch aufklären und zudem die möglichen Chancen auf dem Arbeitsmarkt klären.
(L. Solowjow--BTZ)