Chipmangel führt zu Produktionseinbruch bei Autoherstellern
Unternehmen weltweit stehen vor einem Problem: Lieferengpässe und steigende Transportpreise erhöhen die Kosten der Produktion - oder legen sie sogar ganz lahm. So führt der Chipmangel in der Autoindustrie 2021 weltweit zu einem Produktionsausfall von 7,7 Millionen Autos, wie das Beratungsunternehmen AlixPartners am Donnerstag prognostizierte. Zwar sei die Produktion von Halbleitern weltweit hochgefahren worden, sagte die Direktorin des OECD-Direktorats für Handel und Landwirtschaft, Marion Jansen. "Aber trotzdem kommt man nicht nach."
In der Automobilindustrie macht sich dies besonders bemerkbar: Im Mai war das Beratungsunternehmen AlixPartners noch von einem deutlich niedrigeren Produktionsausfall von rund 3,9 Millionen Autos ausgegangen - dies entspräche einem Gesamtwert von 110 Milliarden Dollar (knapp 94 Milliarden Euro). Nun schätzt die Beratungsfirma den Gesamtwert der nicht produzierten Autos fast doppelt so hoch ein, auf insgesamt 210 Milliarden Dollar (rund 179 Milliarden Euro).
"Die Produktionskapazität im Chipbereich hat sich - entgegen vieler früherer Erwartungen - bislang nicht erholt und das Vorkrisenniveau ist bei weitem noch nicht erreicht", erklärte der Geschäftsführer von AlixPartners Deutschland, Marcus Kleinfeld. Die unter anderem durch die Corona-Pandemie verursachten Produktionskürzungen seien noch nicht überwunden.
Insbesondere Zulieferer stehen demnach vor einer Herausforderung: Während Fahrzeughersteller den Produktionsausfall zumindest teilweise durch Preissteigerungen kompensieren können, sei dies für Zulieferer schwieriger. Die Zulieferungsunternehmen seien deshalb vom Chipmangel besonders betroffen.
Bei einer digitalen Veranstaltung der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) am Donnerstag betonte Jansen die erhöhte Nachfrage nach Halbleitern, die "überall, unter anderem in Deutschland, zu Engpässen" geführt habe. Für die globalen Lieferengpässe gebe es indes keine "one-size-fits-all"-Lösung, sagte sie. Bestimmte Schritte wie eine starke Infrastruktur, eine verbesserte Digitalisierung und flexible Regulierungen seien aber in den meisten Fällen hilfreich.
Die Leiterin des Ifo-Zentrums für Außenwirtschaft, Lisandra Flach, wies auf eine Umfrage des Instituts aus dem August hin, wonach fast 70 Prozent der Industrieunternehmen in Deutschland unter Materialmangel litten. "Das ist ein historischer Rekordwert", sagte sie. Überraschend sei dabei, dass selbst Unternehmen, die sehr stark von Lieferengpässen betroffen waren, nicht verstärkt auf eine heimische oder regionale Beschaffung setzten. "Sie planen in Zukunft eher, die Lieferketten stärker zu diversifizieren." Ein Rückzug aus der globalisierten Wirtschaft sei daher keine Lösung für die aktuellen Engpässe.
Die Bundesregierung und die Europäische Union setzen dennoch auf eine Stärkung der heimischen Halbleiterindustrie: Anfang September hatte die Bundesregierung angekündigt, im Rahmen eines gemeinsamen europäischen Projekts (Important Project of Common European Interest; IPCEI), 2,78 Milliarden Euro für die Stärkung der Halbleiterindustrie zur Verfügung zu stellen.
Ziel der Initiative ist es, dass sich Europas Marktanteil an der weltweiten Chipproduktion bis 2030 von derzeit rund neun Prozent auf 20 Prozent verdoppelt. Für die Herstellung von Mikrochips in Deutschland bedeutet dies laut Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) eine Verdrei- bis Vervierfachung der aktuellen Produktion über die nächsten zehn Jahre.
Die Leiterin des Ostasien-Referats des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), Vera Philipps, begrüßte die Initiative. "Politisch finden wir es grundsätzlich gut, dass da gefördert werden soll", sagte sie.
Den Fokus auf die Produktion beurteilte Philipps jedoch kritisch. "Wir denken, dass der Fokus auf Fachkräften und Forschung und Innovationsförderung liegen sollte", sagte sie. Bei der Förderung sei es wichtig, strategisch zu denken. Die Produktion sei der Bereich, "der die höchsten Eintrittsbarrieren, die höchsten Innovationen hat und die geringsten Aussichten auf Erfolg". Investitionen in Forschung und Entwicklung seien möglicherweise sinnvoller, "um zu verhindern, dass potenziell sehr viele Steuergelder dabei verbrannt werden".
(F. Schulze--BTZ)